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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber
Autoren: Léo Malet
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bekommen von mir
nämlich noch etwas, was Sie hier vergessen haben, neulich, in der Eile und in
der Aufregung. Im Fieber. Deshalb hab ich Sie hergebeten...“
    Ich öffnete die Schublade:
    „...unter anderem. Ich wollte
Sie außerdem nochmal sehen. Vielleicht zum letzten Mal. Sie sind so schön!
Sonst ist alles so häßlich, und wenn man schon einmal etwas Schönem begegnet...
Schöne Frauen gibt’s nicht so oft. Sie. Meine Sekretärin. Martine Carol. Miss
Pearl, vielleicht...ja, doch, bestimmt...“
    Ich nahm ein Foto aus der
Schublade und reichte es ihr. Sie nahm es in ihre schmale, zitternde Hand.
Nachdem sie es lange betrachtet hatte, sah sie mich mit feuchten Augen an: „Das
ist Miss Pearl?“
    „Ja.“
    „Sie ist wirklich sehr schön.“
    „Sie war...“
    Odette rutschte nervös hin und
her.
    „Ja, richtig... ich... War es
das, was ich vergessen hatte?“
    „Nein. Sie haben Ihr...na ja,
Ihr Dings hier vergessen.“
    Ich nahm die Tüte aus der
Schublade, den Slip aus der Tüte.
    „Mein Gott! Stimmt ja! Das
hatte ich tatsächlich ganz vergessen.“
    Sie legte das Foto auf den
Schreibtisch.
    „Entschuldigen Sie bitte, daß
ich es Ihnen nicht schon eher zurückgegeben habe“, sagte ich. „Aber ich dachte
mir, Sie werden noch mehrere davon besitzen. Außerdem hat mich das zum Träumen
gebracht. Oh, nicht so, wie Sie meinen. Nein... Hier! Nehmen Sie’s mit. Ich
behalte nur den Kassenzettel. Zur Erinnerung. Steht alles drauf. Preis, Nummer
der Verkäuferin, Datum. Sehr interessant übrigens, das Datum. Ich hab Sie unten
getroffen, ganz zufällig. Sie hatten soeben diesen allerliebsten Stoffetzen gekauft. Das war am... warten
Sie...6. April. Auf dem Zettel steht 5-4...das Datum. 5. April! Sieh an! Sie
haben den Slip also schon einen Tag vorher gekauft... bevor wir uns trafen, ganz zufällig. Vielleicht wollten
Sie ihn ja auch umtauschen...“
    Sie lachte nervös:
    „Ja, ja, natürlich. Hab ich
Ihnen das nicht erzählt?“
    „Zu schnell.“
    „Was ,zu schnell’?“
    „Sie tappen zu schnell in die
Falle. Aber ob Sie tappen oder nicht, egal. Hören Sie mir mal gut zu. Ich hab
Ihnen gesagt, daß Sie nichts mehr zu befürchten haben. Ich sag’s nochmal. Alles
ist so gekommen, wie es kommen mußte. Latuit, der Mörder von Cabirol und
Badoux, ist tot. Aber ich möchte, daß zwischen uns völlige Klarheit herrscht.
Sie haben diesen Slip in der Rue des Petits-Champs gekauft, um zu
rechtfertigen, daß Sie sich hier rumtrieben. Und zwar am 5., weil Sie vom 5. an
um mein Büro herumgeschlichen sind in der Absicht, mich ganz zufällig zu treffen. Am 5.
haben Sie mich nicht gesehen, also sind Sie am 6. wiedergekommen. Sie wären
auch am 7. nochmal wiedergekommen. Aber wir haben uns schon am 6. getroffen.
Reiner Zufall. Aber man sollte nie mit dem Zufall spielen. Durch einen
wirklichen Zufall haben Sie den Slip hier bei mir vergessen. Denn dieses
Wäschestück hatte seine Schuldigkeit getan, hatte den Kontakt zu mir
hergestellt. Jetzt war er für Sie nicht mehr wichtig. Offensichtlich haben Sie
nicht mehr an den Kassenzettel gedacht.“
    Sie kämpfte einen verlorenen
Kampf:
    „Mit anderen Worten, ich hab
Ihnen etwas vorgespielt?“
    „Genau.“
    „Und warum?“
    „Weil Sie Cabirol getötet
haben.“
    Sie stöhnte leise auf und
sackte auf ihrem Sessel zusammen. Ihr Gesicht war wachsbleich.
    „Und werden Sie nicht wieder
ohnmächtig. Vielleicht gelingt Ihnen heute keine so perfekte Darbietung wie
neulich.“
    Sie wurde nicht ohnmächtig.
Keine Spur! Ganz im Gegenteil! Sie sprang auf und stand vor mir, beide Hände
auf den Schreibtisch gestützt, das Gesicht ein paar Zentimeter vor meinem. Der
Busen wogte unter der Kostümjacke. Völlig außer sich fauchte sie:
    „Natürlich! Ich hab ihn
umgebracht. Und wissen Sie auch, warum? Wegen etwas, was jetzt endgültig vorbei
ist. Weil er meine Hochzeit mit Mareuil verhindern wollte. Er wollte mich für
sich ganz alleine. Ja, ich hab mit ihm geschlafen. Nur zu, sehen Sie mich ruhig
an! Ein sauberes Früchtchen, hm? Cabirol, Latuit. Ich hab immer nur mit Dreckskerlen
geschlafen. Und wenn ich ein Bad nehme...ja, das werd ich wohl müssen, tausend-
und abertausendmal baden. Auf der Straße merk ich manchmal, daß meine Brust die
Blicke auf sich zieht. Einmal sagte ein Mann im Vorbeigehen leise zu mir: ,Oh ! Was für schöne Dinger!’“
    Plötzlich rief sie:
    „Niemand hat sie gesehen...“
    Sie riß sich ihre Jacke auf.
Der Knopf fiel zu Boden. Ich sah ihre nackten
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