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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte
Autoren: Nina Federlein
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bald!
     

Magersucht:
     
    Ich werde wach, die Sonne scheint, eigentlich ist alles ganz ok...
    Erst mal ins Bad und da steht sie, so unschuldig und trotzdem bestimmt sie jetzt gleich über meinen ganzen Tag - meine Waage.
    Gestern habe ich nicht viel gegessen und war im Fitnessstudio, also sollte heute wieder einiges runter sein. Vorher nochmal aufs Klo, damit wirklich nichts Unnötiges in mir drin ist. So, wie jeden Tag die Minute der Wahrheit – ich bin aufgeregt, mit Spannung schau ich den Zahlen zu, wie sie sich einpendeln, aber ich habe auch Angst, weil ich weiß, wie ich mich fertig mache, wenn ich doch nicht abgenommen habe! Aber heute habe ich Glück! 300 Gramm weniger als gestern, juhuu!!! Ich fühl mich super, ich grinse vor mich hin, ich habe gewonnen, die Waage ist mein Schiedsrichter in dem Spiel, das ich mir selber ausgesucht habe. Sie entscheidet jeden Tag über Sieg oder Niederlage, in einem Spiel, das ich eigentlich nur verlieren kann! Aber das ist mir egal, daran will ich nicht denken. Für heute habe ich gewonnen, ich bin stolz! Meine Hose rutscht ganz leicht über meinen Po, vor einer Woche noch musste ich feste ziehen bis ich sie an hatte. Mein Bauch wölbt sich nicht mehr nach außen, sondern nach innen, die Hüftknochen stehen fettfrei und ungepolstert hervor. Genau so muss es sein! Um meine Handgelenke kann ich locker rumgreifen, meine Oberschenkel werden auch langsam ansehnlich dünn. Jeden Morgen greife ich diese drei Stellen ab, um zu fühlen, ob sich was getan hat. Von hinten knapp unter der Pofalte den Oberschenkel, um zu sehen, wie gut ich da mit meiner Hand herumkomme und wie viel Fett da noch schwabbelt, um meine Handgelenke, um zu sehen, wie weit sich Zeigefinger und Daumen diesmal berühren. Und klar, meine Hüftknochen müssen täglich begutachtet werden, wobei der flache Bauch fast noch wichtiger ist. Ich hasse es, wenn ich doch etwas gegessen habe, zu sehen, wie sich mein Bauch voll nach vorne wölbt und ich dann einen richtigen Bauch habe. Das ist schrecklich! Am liebsten ist es mir, wenn er so wie jetzt am Morgen nach innen gezogen ist. Wenn ich jetzt eine Schnur von einem Hüftknochen zum anderen spanne, berührt mein Bauch die Schnur nicht! So muss es sein. Oder anders ausgedrückt, wenn ich meine Hose zumache, dann könnte ich vorne noch zwei Finger reinstecken, soviel Platz ist da zwischen Bauch und Hosenbund.
    Jetzt muss ich irgendwie das Frühstück überstehen. Mama hat zum Glück endlich begriffen, dass sie mir mein Essen nicht fertig machen soll. Jetzt legt sie mir die Apfelstückchen und die viertel Banane extra hin, damit ich sie mir selber in meine Milch schneiden kann. Und trotzdem denke ich jedesmal, sie hat bestimmt Zucker drauf getan, damit ich dick werde.
    Gut, Frühstück geschafft, ich fühl mich voll. Aber ok, die 250 Kalorien werde ich wieder abtrainieren. Allein schon auf dem Weg zur Schule ist davon wieder einiges runter. Ich könnte auch mit dem Bus fahren. Aber laufen ist gesünder...
    Im Unterricht schlafe ich fast ein. Ich halte mich nur wach, indem ich mir ausrechne, wie viele Kalorien ich heute schon hatte - zum fünften Mal, obwohl ich das doch schon längst weiß - und was ich heute noch machen werde. Und zwar ganz genau, jede Minute wird durchgeplant. Bloß keine Zeit dazwischen lassen, in der ich Hunger bekommen könnte.
    Jetzt ist Pause. Heute ist der Bäcker in der Schule. Das ist so fies, es riecht so unverschämt gut nach frischem warmen Gebäck! Und es gibt meine Lieblingsteile, warme Schinkenstangen. Oh Mann, mir läuft das Wasser im Mund zusammen, ich trinke mein Wasser und versuche, mich irgendwie abzulenken. Aber genauso zwanghaft wie ich übers nicht Essen nachdenke, genauso zwanghaft denke ich darüber nach, was ich mir alles gönnen werde, wenn ich irgendwann wieder einmal einfach esse. Damit tröste ich mich über die leckeren Gerüche hinweg und stelle mir alles Leckere vor, das ich mir später einmal gönnen kann, weil ich ja so super dünn bin, dass ich einiges Essen kann, bis ich wieder dick bin.
    Dann endlich die Pausenglocke, schnell wieder ins neutrale Klassenzimmer. Ich bin stolz, ich habe durchgehalten. Neben mir kauen die Klassenkameraden noch an ihren Broten und ich kann sehen, wie sie fett werden. Wie die Hose spannt, der Bauch und die Oberschenkel anwachsen. Ja, esst nur alle, lasst euch von eurem Trieb steuern.... ok, ein bisschen neidisch bin ich auch, ich würde auch gerne da jetzt reinbeißen. Aber nein, daran darf
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