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Man Down

Man Down

Titel: Man Down
Autoren: André Pilz
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splitternackt unter der Decke, fremdes Sperma klebte auf meiner Haut, und es war totenstill in der Wohnung. Auf dem Tisch lagen drei grüne Scheine, eine Packung Schmerztabletten und ein Zettel. Bitte leg das Bettzeug ins Schlafzimmer, kipp das Fenster und vergiss nicht die Haustür zu schließen. Zu Fuß gehst du 20 Minuten in die Stadt, mit dem Bus (Linie J) fährst du 5 Minuten.
    Ich saß im Eurocity, der in der Mittagssonne Richtung München fuhr, und hatte das Gefühl, alle Passagiere wüssten, was ich getan hatte. Ich hatte das Gefühl, sie tuschelten über mich, lachten über mich. Verachteten mich.
    „Ist hier noch frei?“
    „Nein“, sagte ich, und Shane setzte sich neben mich.
    „Was für n Zufall“, sagte er und öffnete ein Dosenbier. Er nahm ein paar Schlucke und reichte mir die Dose. „Du siehst so beschissen aus, als hättest du heute Nacht jede Menge Schwänze gelutscht.“
    „Ich hab deiner Mutter ne Faust in die Möse gesteckt.“
    „Meine Mutter ist eng wie ne Jungfrau.“
    „Wieso? Hat sie dich bei der Geburt ausgeschissen?“
    Shane rülpste und entschuldigte sich dafür bei einer älteren Dame zwei Reihen weiter. Wir saßen im offenen Abteil und die ganze Welt konnte unsere Unterhaltung verfolgen.
    Wir lachten. Uns war schon lange nichts mehr peinlich.
    „Hast du das mit deinen Brüdern geklärt? Dass David raus ist? Dass ich die Kohle auftreibe?“
    „Ja, meine Brüder sind einverstanden“, sagte Shane. „Du treibst das Geld auf, das David ihnen schuldet. Plus 500 Euro Zinsen.“
    „Zinsen?“
    „500 Euro. Du hast einen Monat Zeit. Wie du es anstellst, ist ihnen egal. Sie sagen, es sei zu gefährlich, dich weiter als Kurier zu beschäftigen. Also – du beschaffst das Geld und die Sache ist erledigt, okay?“
    „Lässt sich über die Zinsen nicht noch verhandeln?“
    „Wenn dich die Bullen kassieren, oder wenn du dich umbringst, ehe der Job erledigt ist, dann wird Marion das Geld abstottern müssen. Verstanden?“
    „Was ist mit den Zinsen?“
    „Hast du verstanden, Babyface?“
    Ich seufzte und nickte. Was hätte ich auch anderes tun sollen?
    „Ich konnte sie nicht weiter runterhandeln“, sagte Shane und sah mich an. „Du siehst wie der Tod aus.“
    „Ich glaube, ich kann nicht leben ohne Marion. Ich krepier, Shane.“
    Shane spielte mit seinem Feuerzeug, schnippte den Deckel auf und zu. „Das mit Marion, Kai, das tut mir leid. Wenn ich das gewusst hätte … wenn ich all das vorher gewusst hätte ...“
    „Alles nur Show. Ihr Lächeln. Ihre Küsse. Es war alles nur Show.“
    „Aber doch nur am Anfang!“
    „Das will nicht in meinen Kopf. Dass alles gespielt war!“
    „Das war’s doch nur am Anfang!“, sagte Shane und balancierte das Feuerzeug auf seiner Nase. „Ich habe ihr zwei Wochen was von den Schulden gutgeschrieben, danach hat sie alles freiwillig getan – dich getroffen, dich geküsst ...“
    „Aber sie sagte doch …“
    „Glaubst du, ich liebe dich so sehr, dass ich dir wochenlang ne Nutte zahle?“
    „Aber sie sagte doch ...“
    „Scheißegal, was sie sagte. Sie war verknallt in dich. Sie wollte dich. Du hast’s vermasselt.“
    Zu Hause überwältigte mich die Müdigkeit. Draußen dröhnte ein Presslufthammer. Der Boiler im Klo war runtergefallen, hatte die Schüssel zertrümmert und die Wohnung unter mir unter Wasser gesetzt. Der Typ im unteren Stock, ein über zwei Meter großer Basketballspieler aus Schottland, hatte die Hausverwaltung verständigt. Ich hatte nun kein Wasser und keinen Strom mehr.
    Jesus hing seelenruhig an der Wand. Er schien trauriger als jemals zuvor. Er hatte seinen Kopf so tief gesenkt, dass ich ihm gar nicht mehr in die Augen schauen konnte.
    „Jetzt mach keinen Aufstand“, sagte ich. „Warum bist du wütend? Ich hab dir nur versprochen, nie mehr Drogen zu nehmen. Von Alk war nie die Rede. Warum siehst du mich so an? Weil ich nen Schwanz gelutscht habe? Weil ich Shane nicht gesagt habe, dass Angela HIV -positiv ist?“
    Ich nahm das Kreuz und drehte es nach allen Seiten, um ihm in die Augen schauen zu können, aber er verweigerte sich mir.
    „Weißt du, was meine Lieblingsstelle in der Bibel ist? Wie du da am Kreuz hängst, rechts von dir n Verbrecher, links von dir n Verbrecher, der eine verhöhnt dich, aber der andere sagt, er soll sein Maul halten, weil du unschuldig bist, während sie beide die Strafe verdient hätten. Und dann sagst du …“ Ich glaube, ich musste mir ne verdammte Träne aus den Augen wischen,
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