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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 08. Gefangener des Herzens
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hatte Carla sich weitgehend erholt.
    Das wollte Gabrielle ihrem Vater allerdings nie sagen. Nach dem Tod ihrer Mutter fühlte Gabrielle sich völlig allein gelassen. Obwohl sie viel Geld geerbt hatte, da Carla aufgrund eines Familiennachlasses recht wohlhabend gewesen war, würde Gabrielle nichts davon zu Gesicht bekommen, bis sie mit ein-undzwanzig volljährig wurde – was noch lange hin war. Zwar schickte ihr Vater regelmäßig Unterhalt, und es gab auch noch das Haushaltsgeld, das eine ganze Weile reichen würde, doch sie war gerade erst achtzehn geworden.
    Außerdem sollte sie der Aufsicht eines Vormunds unter-stellt werden. Das hatte Carlas Anwalt William Bates bei der Testamentseröffnung erwähnt. In ihrer Trauer hatte Gabrielle gar nicht richtig hingehört, doch als der Name fiel, war sie entsetzt. Der Mann war ein stadtbekannter Schürzenjäger! Den Gerüchten zufolge ließ er seinen Dienerinnen im ganzen Haus keine Ruhe und bei einem Gartenfest hatte er sogar Gabrielle einmal in den Po gekniffen, dabei war sie damals erst fünfzehn gewesen!
    Einen Vormund, insbesondere einen wie ihn, lehnte Gabrielle entschieden ab. Schließlich hatte sie ja noch einen lebenden Elternteil. Sie musste ihn bloß finden, und daher machte sie sich auf, genau das zu tun. Zunächst aber musste sie noch einige Ängste überwinden, wie etwa die Angst davor, um die halbe Welt zu segeln und alles hinter sich zu lassen, was ihr vertraut war. Zweimal hätte sie ihren Entschluss fast umge-worfen. Doch am Ende meinte sie, keine andere Wahl zu haben. Wenigstens hatte Margery eingewilligt, sie zu begleiten. Die Reise war sehr gut verlaufen, viel besser als sie erwartet hatte. Niemand hatte ihr Fragen gestellt. Schließlich stand sie unter dem Schutz des Kapitäns, zumindest solange sie auf dem Schiff war, und sie hatte durchblicken lassen, dass ihr Vater sie bei der Ankunft erwarten würde – eine kleine Notlüge, um möglichen Einwänden zuvorzukommen.
    Doch über den Gedanken an ihren Vater und die Suche nach ihm vergaß sie ihre augenblicklichen Ängste nur kurz.
    Ihre Beine waren eingeschlafen, weil sie in dem Fass so wenig Bewegungsfreiheit hatte, auch wenn sie problemlos hinein-passte. Mit ihren einem Meter dreiundsechzig war sie nicht besonders groß und dazu schlank. Allerdings hatte sich ein Holzsplitter in ihren Rücken gebohrt, als sie sich in die Tonne gehockt hatte, und es war unmöglich ihn zu erreichen, selbst wenn sie Platz genug gehabt hätte.
    Zudem kämpfte sie noch ein wenig mit dem Schock, dass es in dieser Zeit für ein Schiff überhaupt noch möglich war, eine Piratenflagge zu hissen. Piraten waren doch angeblich ausgestorben. Sie hatte geglaubt, sie seien im letzten Jahrhundert komplett ausgerottet worden und alle überführten Seeräuber seien am Strick geendet. Eine Seefahrt über warme karibische Gewässer galt als ebenso sicher wie ein Spaziergang auf englischen Landstraßen. Wenn sie daran gezweifelt hätte, hätte sie doch niemals eine Passage in diesen Teil der Welt gebucht.
    Und doch hatte sie die Piratenflagge mit eigenen Augen gesehen.
    Vor lauter Angst verkrampfte sich ihr Magen, der obendrein leer war, und somit ihre missliche Lage noch verschärfte.
    Sie hatte das Frühstück verpasst und vorgehabt, dieses Versäumnis beim Mittagessen wieder wettzumachen, doch das Piratenschiff war vor dem Lunch aufgetaucht, und seither schienen Stunden vergangen zu sein. Es gab auch keinen Hinweis darauf, was sich an Deck gerade abspielte.
    Sie nahm an, dass die Flucht vor dem Piratenschiff gelungen war, doch wenn das andere Schiff abgeschüttelt worden war, warum kam Avery dann nicht, um es ihr zu sagen? Plötzlich erschütterte eine Detonation das gesamte Schiff, eine weitere folgte, und dann noch eine, eine jede war ohrenbetäubend. Pulvergeruch drang in den Laderaum, heisere Rufe, einige gellende Schreie, und schließlich, eine ganze Weile spä-
    ter, gespenstische Stille.
    Es war unmöglich festzustellen, wer den Kampf gewonnen hatte. Gabrielles Nerven lagen blank. Mit der Zeit wuchs ihre Angst. Bald würde sie anfangen zu schreien, da war sie sich sicher. Eigentlich wusste sie nicht einmal, wie es ihr gelungen war, diesem Drang nicht schon früher nachzugeben. Wäre Avery nicht längst aufgetaucht, wenn ihre Mannschaft gesiegt hätte? Es sei denn, er war verwundet und hatte niemandem verraten, wo sie zu finden war. Oder er war tot. Sollte sie es wagen, ihr Versteck zu verlassen, um sich Gewissheit zu
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