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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 06. Stuermische Begegnung
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glauben«, begann sie und sagte dann im nächsten Atemzug:
    »Zuerst fiel das Kutschenrad ab. Und dann, eine Meile weiter, verlor eines der Pferde nicht nur ein, sondern zwei Hufeisen. Nachdem das alles endlich wieder beho-ben war und wir fast am Ziel waren, brach die verflixte Achse. Ich glaubte schon, Warren würde diese arme Kutsche zertrümmern. Jedenfalls hat er ihr kräftige Fuß-
    tritte versetzt. Wenn ich nicht mit ihm gewettet hätte, daß wir noch heute hier eintreffen würden, hätten wir es meiner Meinung nach nicht geschafft. Aber wie ihr wißt, verliere ich nie eine Wette, also ... Übrigens, Onkel Jason, was hat das namenlose Grab auf dieser maleri-schen Lichtung östlich von hier zu suchen? Die Lichtung an der Straße, die durch deinen Besitz führt? Wir sind zu Fuß hierher gelaufen und überquerten die Lichtung, weil dies der kürzeste Weg war.«
    Nach diesem langen Bericht sprach zunächst keiner ein Wort. Schließlich bemerkte Derek: »Ich erinnere mich an das Grab, jetzt da du es erwähnst, liebe Cousine.
    Reggie und ich haben es einmal auf unseren Streifzü-
    gen als Kinder entdeckt. Ich wollte dich immer schon danach fragen, Vater, habe es aber irgendwie versäumt und dann ganz vergessen.«
    Alle Augen waren mittlerweile auf Jason gerichtet, aber er hob nur die breiten Schultern. »Weiß der Teufel, wer dort seine letzte Ruhe fand. Das Grab war schon da, bevor ich zur Welt kam. Soweit ich mich erinnere, habe ich mich einmal bei meinen Vater danach erkundigt, erhielt aber keine eindeutige Antwort von ihm, so daß ich annahm, er wisse es einfach nicht, und da habe ich ihn auch nicht wieder gefragt.«
    »Ich denke, wir alle sind irgendwann einmal an diesem Grab vorbeigekommen, zumindest diejenigen von uns, die hier aufgewachsen sind«, meinte Anthony, ohne jemanden damit im einzelnen anzusprechen. »Ein merkwürdiger Ort für ein Grab, wenn es in der Nähe zwei Friedhöfe gibt sowie die Familiengruft auf unserem Besitz.«
    Judith, die neben dem Säulenfuß gestanden und das geheimnisvolle Geschenk neugierig beäugt hatte, ging auf ihre Cousine zu und hielt die Arme hoch, um ihr den zweijährigen Zwilling abzunehmen. Judy war für ihr Alter ziemlich groß und sehr gut im Umgang mit kleinen Kindern. Amy war überrascht, daß sie nicht begrüßt wurde, und brachte das auch zum Ausdruck.
    »Und wo bleibt mein Küßchen?«
    Das edel geschnittene Gesicht blickte sie nur störrisch an. Amy hob eine Augenbraue und blickte zum Vater des Mädchens.
    Anthony rollte die blauen Augen und erklärte: »Sie schmollt, weil Jack noch nicht da ist.«
    Jack war James’ und Georginas älteste Tochter. Jeder wußte, daß Jack und Judy, vom Alter her nur Monate auseinander, unzertrennlich waren, wenn sie zusam-menkamen. Sie hingen so aneinander, daß die Eltern dafür sorgten, daß sich die beiden so oft wie möglich sahen – vor allem, da keine von ihnen so recht glücklich war, wenn sie lange voneinander getrennt waren.
    »Stimmt gar nicht«, widersprach Judith mit beleidigtem Gemurmel, als sie wieder zu der Säule zurückmar-schierte.
    Jason bemerkte als einziger, wie sich Amys Aufmerksamkeit auf das Geschenk richtete, das bereits die Neugier aller erregt hatte. Er hätte sich nichts dabei gedacht, wenn nicht dieser Gesichtsausdruck gewesen wäre. Ihr kurzes Stirnrunzeln machte ihn stutzig. War das wieder eines dieser bestimmten Gefühle, wie Amy sie manchmal hatte? Seine Nichte hatte das unfaßliche Glück, in ihrem ganzen Leben noch nie eine Wette verloren zu haben, was sie selbst diesen »Gefühlen«, wie sie es nannte, zuschrieb. Jason betrachtete derartige Anwandlungen als höchst seltsam und daher wollte er im Augenblick nicht wissen, ob dies wieder eines dieser »Gefühle« war. Also war er erleichtert, als sich die Stirn wieder glättete und Amy ihre Aufmerksamkeit dem Bruder zuwandte.
    »Onkel James ist also noch nicht eingetroffen?« schloß Amy aus Anthonys Antwort.
    Anthony murmelte jetzt selbst etwas in sich hinein.
    »Nein, und ich hoffe, das wird auch nicht der Fall sein.«
    »Ach du lieber Himmel! Streitet ihr euch etwa?« Wieder eine Schlußfolgerung seitens Amys.
    »Ich? Mich mit meinem heben Bruder streiten? Fiele mir nicht im Traum ein«, entgegnete Anthony und fügte dann leiser hinzu: »Aber irgendeiner sollte ihm unter die Nase reiben, daß Weihnachten eine friedvol-le Zeit ist.«
    Derek schmunzelte über die verdrießliche Miene seines Onkels. »Ich habe gehört, Onkel James hätte dich ins
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