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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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dem Alten und auch mit Osman. So fest sei die Freundschaft, daß der Stamm ihm sogar allsommerlich seine Habe ins feste Biledschik bringe, daß er, Salmenikos, sie dort verwahre. Und Teppiche, Käse und Honig seien der Tribut für den Schutz.
    Vieles noch stammelte er, sagte er . . .
    Aber das Wort der Entscheidung sagte er nicht.
    Und dann kamen die Pferde.

4
    Das einzige Geräusch in diesem Raum des Schlosses von Eskischehr war der Ton des mahlenden Löffels. Die schmale Hand rührte im verbeulten Silberbecher, der zur Zeit seiner glanzvolleren Jugend sich wohl kaum eines Ansehens wie heute erfreut hätte. An Wolfsfellen freilich fehlte es weniger. Die Wölfe machten sich breit im Lande.
    Wolfsfelle unterbrachen das Rot des Ziegelbodens, lagen vor dem Armstuhl am Kamin und zur Sänftigung für die Knie der Betenden sogar in der Ikonenecke, auf welche Weise die teuflischen Tiere nach ihrem verdienten Ende noch im Lichtkreis der Ewigen Lampe gewissermaßen des allgemeinen Heiligenscheins teilhaftig wurden. Ein zerschlissener alter Teppich schmückte als Kostbarkeit die Langwand über dem Polster, während dieses selbst und die Bankecke mit dem festen Tisch, soweit sie etwas davon abbekam, sich mit der einfacheren Hirtenwebkunst turkmanisch-türkischer Frauen begnügen mußten.
    Die Läden der drei kleinen glaslosen Fenster standen offen.
    Malchatun hatte es dem Kaminfeuer zum Trotz angeordnet, nicht so sehr, um das Öl für die hängende Deckenlampe zu sparen, als um frische Luft hereinzulassen.
    »Die schadet Ihnen nichts«, sagte sie gerade zu dem in Kissen vergrabenen Mann.
    Dem festlichen Tage zuliebe hatte sie auch gar nicht erst die Lampen löschen lassen, sondern im Gegenteil noch die teuren Wachskerzen vor den Ikonen entzündet. Es war ihr dabei völlig gleichgültig, daß ihr als einer Ungläubigen diese gottesdienstliche Handlung eigentlich nicht zukam. Auf diese Weise sehe man wenigstens etwas, fand sie. Was aber die Heiligen anlangte, so stand sie mit ihnen von Kind auf in einem so vertrauten Umgang, daß sie sich deren Zustimmung gewiß glaubte.
    Ruß genug hatten zudem die gekalkten Wände und vor
    allem die Balkendecke angesetzt, denn wenn das Öl knapp wurde, schreckte man selbst vor Kienfackeln nicht zurück.
    Und diese Knauserei sei eine Schande, erklärte Malchatun. Wie in einer Höhle sehe es hier aus!
    Solche und ähnliche Bemerkungen konnte sich Malchatun jederzeit erlauben. Der Tochter des Hauses wären sie nicht so leicht hingegangen. In bezug auf Malchatun aber hatte es sich als ein Gesetz ergeben, sie könne das Absonderlichste sagen oder tun, weil es keineswegs ausgemacht sei, ob sie hinterher nicht etwa doch recht behalte.
    Auch Kiri Aristides, der Stadtherr — und gerade er -, hatte sich diesem Gesetz unterworfen. Seit einer Stunde hielt er nicht einmal mehr die letzte Schanze seines männlichen Hochmuts: daß er sich schon aus Gründen des Anstandes in seines Leibes Nöten von einem Mädchen nicht helfen lasse.
    Überhaupt war Apollonias und Malchatuns Verhältnis von klein auf zu ihm ganz anders als zu Apollonias verstorbener Mutter, Kira Maria, gewesen. Etwas Unbestimmtes hatte immer zwischen dem Mann und den Mädchen gelegen, etwas anderes als der größere Abstand, der den Nachwuchs im Vergleich' zur Mutter vom Vater zu trennen pflegt. Doch während aus Malchatun für Kir Aristides mit der Zeit eine, wenn auch widerwillig ertragene Vertraute geworden war, bestand zwischen Apollonia und deren leiblichem Vater noch heute der alte Zustand. Oft genug hatte Malchatun das Empfinden gehabt, als wenn Kir Aristides sich vor ihnen beiden fürchte, vor ihr und vor Apollonia, daß er ihnen mit einem noch geheimnisvolleren als seinem gewöhnlichen Mißtrauen begegne.
    Jetzt allerdings hatte sie zu Grübeleien keine Zeit gehabt. Tief erschrocken war sie über des Pflegevaters Aussehen gewesen, und sie hegte die größten Bedenken, ob er den Ansprüchen einer Hochzeit als Brautvater auch gewachsen sein werde.
    »Nehmen Sie!« befahl sie nun und führte den schmerzstillenden und zugleich anregenden Trank an seine Lippen.
    Über ein Dutzend Jahre trennten Kir Aristides von Edebali und noch mehr von Ertoghrul; aber neben ihm hätten die beiden Älteren den Eindruck junger Männer erweckt. Grau im Gesicht, mit eingefallenen Schläfen und dünnem Haupthaar saß der Archont, der adlige Herr, in Kissen und Decken verpackt, im Stuhl und hob seine rotgeäderten Augen.
    »Und es wird helfen?« fragte
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