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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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er.
    »Sie werden sich besser fühlen und diesen Byzantiner von jenseits der Grenze empfangen können“, war Malchatuns Antwort. »Wozu freilich - das sehe ich nicht ein«, behauptete sie, obwohl sie sehr genau wußte, daß Apollonias Vater viel zu ängstlich sei, um sich einen Feind zu machen oder sich das Wissen um irgend etwas entgehen zu lassen, was sich später einmal gegen ihn selbst richten könne. »Und wenn Sie glauben, sich aufregen zu dürfen, so irren Sie sich«, fuhr sie fort. »Ich werde zugegen sein und die Unterhaltung abbrechen, wenn es nötig sein sollte.«
    »Du willst dableiben?« fragte er und kam gar nicht erst zur Entrüstung, weil ihn das Erstaunen über etwas so Neues schon völlig erfüllte.
    Nun pflegte Malchatun sonst keineswegs Tyrannei zu üben; aber bereits als Halbwüchsige war sie zu der Überzeugung gelangt, daß dieses Mannes Unberechenbarkeit, vor der sich alles duckte, sehr selten einmal guten Gründen, um so eher jedoch einem Befehle weiche. Wie Zauberei sei das, meinten die Leute, wenn sie sahen, wie die Tochter des geistlichen Scheichs Edebali mit dem Herrn von Eskischehr umsprang.
    Auch jetzt packte sie, zum Zeichen, daß sich jedes weitere Gespräch erübrige, einzig ihr Gerät in den Tragkasten zurück. Eine eigentliche Antwort gab sie nicht.
    »Die Wirkung muß bald eintreten«, sagte sie nur.
    »Und keinen Aderlaß, Marula?« begab sich Kir Aristides auf den Rückzug.
    Malchatun schüttelte sein Rückenkissen.
    »Man hat Ihnen oft genug die Ader geschlagen«, erinnerte
    sie, »hat es Sie erleichtert? - Nun also!« beantwortete sie selbst ihre Frage. Und damit ging sie hinaus.
    Draußen fand sie den Byzantiner, den sie suchte, einen Mann mittlerer Jahre. Es war ihm anzusehen, daß er dem Anlaß entsprechen und sich festlich hatte herrichten wollen. Nur waren ihm seine pelzbesetzte Scaramangia etwas zu weit. Doch daß dieser verschnürte lange Leibrock nicht eben dir ihn gemacht schien, war keine Schande. Man behalf sich, und wenn man nur hatte, trug man mit Freuden die Kleider der Ahnen.
    Ganz und ihm ureigentlich zugehörig war dagegen sein roter Bart, den er gegen die Gepflogenheiten aller ordentlichen Leute spitz zugeschnitten trug.
    Auf keine Weise war er davon abzubringen gewesen, und diese Hartnäckigkeit hatte ihm denn auch seinen Zunamen »Spitzbart« eingetragen. Als Michael Spitzbart war diese Persönlichkeit ziemlich bekannt, wenn auch nicht gerade rühmlich.
    Immerhin gehörte er als Herr einer Gerichtsbarkeit zur regierenden Schicht. Viel zu regieren hatte er allerdings nicht. Er war einer jener kleinen Herren, die ihren bedrängten Lebensumständen mit allen Mitteln aufhelfen mußten, am harmlosesten noch dadurch, daß siegefürchtete Gäste waren, die unverhofft kamen und lange blieben. Das also war Kir Michael, der Herr von Chirmendschik.
    Am oberen Pursuk, nicht weit von Eskischehr, lagen Ort und Schloß Karadschahissar, das Melangeia der Griechen, die Schwarzenburg, ein Ganerbentum der griechischen Familie Mazaris. Bei dieser Familie nun hielt Kir Michael sich zur Zeit auf, und dieser Umstand erklärte auch seine Anwesenheit bei Apollonias Heirat. Seine Freunde hatten ihn eben im Vertrauen auf des Kontophres Gastfreundschaft mitgebracht.
    Kir Michaels Vermessen jedoch, gerade er wolle den Eskischehrer für die Absichten eines Teiles der Gäste gewinnen, hatte diese Freunde eher mit Besorgnis als mit Genugtuung erfüllt. Denn jene Absichten gingen recht heikel darauf hinaus, die Festesfreude als heiteren Vorhang für eine kleine Verschwörung zu benutzen. Doch Kir Michael hatte so beharrlich behauptet, im Besitz eines Trumpfes zu sein, der den alten Kontophres schon mürbe machen werde, daß die Mazaris schließlich der Meinung gewesen waren, man könne schlimmstenfalls jedes Einverständnis in Abrede stellen und den Projektmacher einstweilig ruhig vorpreschen lassen.
    Zu diesem Mann nun trat Malchatun.
    Nicht allzu viele Damen hatte Kir Michael in seinem Leben gesehen, und so hielt er Malchatun ihrer einfachen Kleidung wegen für eine Magd, für eine begünstigte vielleicht, mit der zu rechnen die Klugheit gebiete. Klug zu sein, war er aber immer gewillt. So widersprach er auch nicht, als ihm eröffnet wurde, daß Kir Aristides geschont werden müsse.
    »Sagt das der Arzt?« fragte er nur.
    »Er sagt es«, war, ohne daß sie sich zu erkennen gegeben hätte, ihre Antwort.
    Dann durfte er eintreten.
    Kir Aristides war von einer kindlichen Frömmigkeit, und
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