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Maison Aglaia

Maison Aglaia

Titel: Maison Aglaia
Autoren: Peter Hardcastle
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lachend in sein Schicksal.
    "Patron, zwei Rote, s’il vous plait!" bestellte Dieter lässig wie ein Grandseigneur im Ritz.
    Genau zwei Rote, einen Kaffee und 31 Minuten später verließen die beiden gutgelaunt das Bistro. Eben lästerten sie noch über ehemalige Kollegen, sozusagen eine Pflichtübung für jedes Mitglied der schreibenden Zunft, da sah Peter erschrocken ein älteres Paar, dem man seine zwanzig Ehejahre bereits aus erheblicher Entfernung ansah. Es wartete mit zwei großen Koffern ungeduldig neben dem VW-Bus.
    "Mann Gottes," entfuhr es Dieter erstaunt, "aus welchem Zoo sind die denn entlaufen?"
    "Hellabrunn, rädsele isch mal vite drauf los, mon cher Watson!"
    Das Rätsel löste sich sehr schnell. Das sichtlich deutsche Ehepaar, sie in einem biederen lindgrün geblümten Sommerkleid mit einem völlig unpassenden orange-lila-erdfarbenen Hut Marke 'Blumentopf mit Flieder' auf der 32,89 Mark Dauerwelle, er ein Kahlkopf mit randloser Brille, hinter denen arglose blaue Augen kurzsichtig in die Welt starrten. Beide Gesichter ähnelten sich in einem Punkt, stellte Dieter sofort mit Kennerblick fest: "Faltig wie ne Schrumpfkartoffel."
    Der jägergrüne Lodenanzug des Glatzkopfes liess den vorbeischlendernden Bahnhofsvorsteher Monsieur Praquel nachdenklich sein Képi in den Nacken schieben.
    "Comme un arbre, les Allemands!" brummte er fassungslos.
    "Pas Allemand, Bavarois!" korrigierte ihn Dieter besserwisserisch.
    "Ohlala!" nahm Monsieur Praquel dies zur Kenntnis und verschwand hinter ihnen lachend im Bistro.
    "Schadenfreude ist doch immer wieder was Schönes," philosophierte Dieter dazu. "Sie erleichtert Herz und Seele."
    "Schnauze!" zischte Peter und begrüßte dann das Ehepaar Norbert und Armgard Müller aus Straubing. Die Koffer entpuppten sich als bleischwer, und er wunderte sich, als er sie in den Wagen hievte, welche Steinbrocken wohl darin sein mochten. Wie sich später herausstellte, lag er mit seiner steinharten Vermutung gar nicht so falsch.
    Dieter hatte unerwartet neue Opfer gefunden, denen er sich sofort hingebungsvoll widmete. Er spielte während der Fahrt den Kavalier alter Schule. Ohne zu erröten behauptete er galant, dass Armgard Müllers Kleid der letzte Schrei sei und sicher aus Paris stammen würde. Ihr Hut schließlich riss ihn zu Beifallsstürmen hin, und er zählte auf, wie viele weniger attraktive Creationen er bei seinen zahlreichen Besuchen in Ascot bewundern durfte. Norbert Müller war sprachlos.
    Peter hatte Mühe nicht laut loszulachen. Tapfer starrte er auf die Straße und lauschte mit zuckenden Mundwinkeln Dieters frechen Märchen.
    Armgard Müller aber sonnte sich im Licht der falschen Komplimente und brachte es sogar fertig jung mädchenhaft zu erröten. Bei ihrem Aussehen und Gewicht - sie hätte in der Klasse von Muhammad Ali starten können - war das allerdings eine Glanzleistung, die sich neben Dieters Unverschämtheiten durchaus sehen lassen konnte.
    Ihr Mann tätschelte ihr gutmütig die dicke Hand und meinte: "Siehst Du, mein Mäuschen, hab ich doch immer schon gesagt, dass Dir das Kleid steht." log auch er mühelos. "Die Lommelhubersche ist doch bloß neidisch!"
    "Eben, "trompetete Armgard Müller aufgeregt, "Die hat kein Farbgefühl, diese ... Provinzlerin!"
    "Gnädige Frau haben ganz recht!" pflichtete ihr Dieter todernst bei. "Folgen Sie immer nur Ihrem eigenen hervorragenden Geschmack! Ja, vielleicht hätten sie sogar in der Modebranche reüssieren können?"
    Armgard berichtete sofort von einem Nähkurs der Frauengruppe "Spitze Nadel in zarter Hand" in ihrer Heimatgemeinde. Dieter erklärte als Fachmann, eine bessere Vorbereitung für eine Dame mit sicherem Geschmack gebe es kaum. Nun begann selbst Norbert Müller Dieter etwas skeptisch zu betrachten, aber da seine Frau so begeistert war, schwieg er lieber. Er schwindelte schließlich auch bei seinen Komplimenten für sein "Mäuschen".
    Dieter begrüßte nun jeden neuen Weinberg wie einen alten Bekannten, während Norbert Müller wieselflink nach allen Seiten äugte und bei jedem Steinhaufen strahlte. Seine Frau, eben noch hatte sie aus heiterem Himmel, die Sauberkeit des Wagens bemängelt, sah ihn beunruhigt von der Seite an, aber Peter konnte sich auf dieses Verhalten keinen Reim machen. Seine Aufmerksamkeit wurde auch anderweitig dringend benötigt.
    Musste er doch in diesem Moment heftig auf die Bremse treten, denn vor ihnen mitten auf der Straße stand ein Hindernis. Es war ein alter Esel und der starrte ihnen
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