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Mailverkehr für Anfänger (German Edition)

Mailverkehr für Anfänger (German Edition)

Titel: Mailverkehr für Anfänger (German Edition)
Autoren: Mela Wolff
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Berlin? Bin ich in die Hände der Bestattungsmafia gefallen? Muss ich als Nächstes diesen Totenkopfring küssen, den Sie an der linken Hand tragen?
    Ich hab’s genau gesehen! Den haben Sie sich aufgesteckt, als alles vorbei war. Und dann sind Sie abgehauen. Irgendwo Party machen, oder?
    Pah!
    Von wegen Probeleser und »ich weiß, was Frauen wünschen«. Ich soll Sie wohl mit kostenlosem Anschauungsmaterial versorgen? Nur, wenn die Raten monatlich nicht mehr als 50 Euro betragen!
    Ich hatte noch nie einen männlichen Probeleser.
    Was hat Birgit da nur angerichtet? Und warum hat sie sich einfach so aus dem Staub gemacht? Sie war doch erst siebenunddreißig! Ein Jahr älter als ich … Ich vermisse sie. He, Ganovengruber, Sie kennen sich doch aus. Hat Birgit das Licht am Ende des Tunnels gesehen? Ich war nämlich nicht dabei, als sie starb. Ganz allein im Krankenhaus, morgens um halb drei. Piiiiiiieeeeep. Eine flache Linie auf dem Bildschirm.
    Ich war zu Hause, bei meinem Kater, und hab ihm das Fell vollgeheult. Kannte Birgit seit meiner Schulzeit. Die Einzige, die zu mir gehalten hat, wenn die anderen mich mal wieder auf dem Kieker hatten.
    Trotzdem. Birgit hätte nicht so über mich reden dürfen. Ich trinke nur hin und wieder ein bisschen Rotwein. Jetzt zum Beispiel. Weil es dunkel und so still ist, dass ich mein Blut hören kann, wie es langsam in meinen Adern andickt.
    Kann nicht schlafen. Konnte ich noch nie gut. Nicht ohne »mother’s little helper« (Valium – falls Sie, Herr Ganovengruber, sich damit nicht auskennen). Werde jetzt eine nehmen. Oder zwei. Der Rotwein ist alle, im Fernsehen läuft nur Mist, und der Kater schnarcht auf dem Sofa.
    Gute Nacht.
    Hannah Zimmermann
    Betrifft: Rechnung 13498
    Von: Gruber Bestattungen
    Datum: 31.10.2012 09:18
    Sehr geehrte Frau Zimmermann,
    Schlafmittel erhöhen das Risiko für einen baldigen Tod. Ich empfehle Ihnen dringend ausreichend Bewegung an der frischen Luft und eine ausgewogene Ernährung. Trinken Sie nicht so viel. Alkohol fördert Depressionen.
    Achten Sie auf Ihre körperliche und geistige Gesundheit. Sie müssen sich Ihren kritischen Geist erhalten, wenn Sie kreativ sein wollen.
    Apropos kritisch: Das Licht am Ende des Tunnels entsteht durch den Sauerstoffmangel, der eintritt, wenn die Blutzufuhr zum Gehirn nachlässt. Menschen, die starke innere Blutungen überlebt haben, berichten, dass alle Farben verschwinden (wenn der Blutverlust einen kritischen Punkt erreicht hat). Kein Gotteserlebnis also. Nur Biologie.
    Das Licht am Ende des Tunnels ist sozusagen der Scheinwerfer eines herannahenden Zuges.
    Dieses eine Leben ist alles, was wir haben.
    Umso wichtiger ist es, etwas daraus zu machen.
    Also los, schreiben Sie Ihr Buch!
    Mit freundlichen Grüßen
    Mike Gruber
    Betrifft: Moralaposteltum
    Von: H. Zimmermann
    Datum: 31.10.2012 23:28
    Sehr geehrter Herr Moralinsauer!
    Hören Sie gefälligst auf, mir mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase herumzuwedeln. Der Totenkopfring stört dabei erheblich! »Bewegung an der frischen Luft.« Pah! Da muss man ja Depressionen kriegen! (Nicht, dass ich welche hätte!)
    Ich soll rausgehen, in diesen grau-feuchten, grauenhaften Alltag? Wo Menschen mit den Mienen von Zombies durch die Gegend schlurfen, versteckt in Mänteln, Schals und Mützen? Wo die Wassertropfen von den Bäumen perlen wie Würmer von der Leiche? Wo nasse Blattgerippe unter den Füßen platschen wie frisches Blut?
    Nee danke.
    Schon gar nicht heute Nacht. Halloween. Da sind ja angeblich die Toten unterwegs, um die Lebenden heimzusuchen. Ich kann nur keinen Unterschied feststellen da draußen. Für mich sehen die alle tot aus. Egal ob verkleidet oder nicht. Mauseekeltot.
    Da es Ihrer Ansicht nach kein Leben nach dem Tod gibt, gibt es also auch keine Gespenster, oder? Komisch nur, dass Birgit jede Nacht an meinem Bett steht und mich vorwurfsvoll ansieht. Als hätte ich vergessen, ein ausgeliehenes Buch rechtzeitig zurückzubringen. Mein Bibliothekarsgespenst.
    Meine Bücher. Ich habe ein ganzes Zimmer voll davon.
    Mein Leben in den Büchern. Plattgepresst zwischen den Seiten wie ein totes Mauerblümchen.
    Birgit hat behauptet, sie würde nichts nachtrauern, sie hätte in ihrem Leben alles gemacht, was sie tun wollte. Für eine Bibliothekarin war sie ganz schön umtriebig.
    Wenn ich jetzt sterben würde … Nee, das könnte ich nicht von mir behaupten.
    Und Sie?
    Passen Sie auf, dass der Zug Sie nicht erwischt.
    Weingeistgrüße
    Hannah
    Betrifft:
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