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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre
Autoren: Georges Simenon
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Appa r tement.
    Nachdem er seiner Gefährtin erklärt hatte, daß er sich des Skandals schäme, den ein bestimmtes Mitglied der Familie verschuldete, schoß sich der Graf eine Pistolenkugel in den Kopf und verschied wenige Minuten später, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.
    Wir glauben zu wissen, daß es sich um ein besonders u n erquickliches Familiendrama handelt und bei dem oben erwähnten Familienmitglied um die eigene Mutter des Ve r zweifelten.
     
    Eine Gans, die frei auf dem Weg umherwatschelte, rec k te Maigret ihren wütend aufgerissenen Schnabel entg e gen.
    Die Glocken ließen ihr feierliches Geläut erklingen, und die Menge kam langsam, verhaltenen Schrittes, aus der kleinen Kirche, der der Geruch von Weihrauch und Kerzenqualm entströmte.
    Maigret hatte das dicke Meßbuch in seine Manteltasche gestopft, die nun ganz ausgebeult war. Er war stehengeblieben, um diesen gräßlichen Meldungstext g e nauer anzuschauen.
    Das Mordwerkzeug! Ein Zeitungsausschnitt, sieben auf fünf Zentimeter groß!
    Die Gräfin de Saint-Fiacre begab sich zur Frühmesse, kniete im Gestühl nieder, das seit zwei Jahrhunderten für ihre Familie reserviert war.
    Sie kommunizierte. Das war zu erwarten gewesen. Sie schlug ihr Meßbuch auf, um das Schlußgebet zu lesen.
    Da war die Waffe! Und Maigret wandte das Stück P a pier nach allen Seiten. Etwas daran erschien ihm ungewöhnlich. Er prüfte unter anderem die Ausrichtung der Buchstaben und kam zur Überzeugung, daß der Druck nicht im Rotationsverfahren erfolgt war, wie bei einer richtigen Zeitung.
    Es handelte sich um einen bloßen Abzug, im Flachdruck entstanden, von Hand. Als Beweis dafür fand sich auf der Rückseite des Blattes genau derselbe Text.
    Man hatte sich nicht die Mühe eines sorgfältigen Druckes gemacht oder dazu nicht genügend Zeit gehabt. Wäre es der Gräfin überhaupt eingefallen, den Ausschnitt umzuwenden? Konnte man nicht damit rechnen, daß sie vorher starb, an Aufregung, an Empörung, an Scham, an Schrecken?
    Maigrets Gesicht drückte tiefe Abscheu aus, weil ihm noch nie ein so feiges und zugleich so raffiniertes Verbrechen untergekommen war.
    Und der Mörder hatte es sich gar einfallen lassen, die Polizei zu benachrichtigen!
    In der Annahme, daß man das Meßbuch nicht wiederfinden würde …
    Ja! Das war es! Das Meßbuch hätte unauffindbar bleiben sollen! Von da an war es unmöglich, von einem Verbrechen zu reden, irgend jemanden anzuklagen! Die Gräfin war an plötzlichem Herzstillstand gestorben!
    Unvermittelt kehrte er um. Er trat bei Marie Tatin ein. Jedermann schwätzte von ihm und dem Meßbuch.
    »Wissen Sie, wo der kleine Ernest wohnt?«
    »Im dritten Haus nach der Lebensmittelhandlung an der Hauptstraße …«
    Er hastete dorthin. Eine ebenerdige Häuslerwohnung. Großformatige Fotos von Vater und Mutter an der Wand, zu beiden Seiten des Büffets. Die Frau, schon umgezogen, war in der Küche, wo es nach Rinderbraten roch.
    »Ist Ihr Sohn nicht da?«
    »Er zieht sich um. Es hat keinen Sinn, daß er seinen Sonntagsanzug verdreckt … Sie haben gesehen, wie er von mir gebeutelt worden ist … Ein Kind, das mit b e stem Beispiel vor Augen aufwächst und das …«
    Sie machte die Türe auf, schrie:
    »Komm her, du Schlingel!«
    Und man erblickte den Buben in Unterhosen, der versuchte, sich zu verstecken.
    »Lassen Sie ihn sich anziehen!« sagte Maigret. »Nac h her will ich mit ihm reden …«
    Die Frau fuhr mit der Zubereitung des Mittagsmahls fort. Wahrscheinlich saß ihr Mann in Marie Tatins Gaststube beim Apéritif.
    Endlich ging die Tür auf, und Ernest kam herein, verdrießlich, im Werktagsanzug, dessen Hose zu lang war.
    »Komm mit mir spazieren …«
    »Was, Sie wollen …«, rief die Frau. »Aber dann … Ernest! … Zieh sofort deinen guten Anzug an …«
    »Das ist die Mühe nicht wert, Madame! … Komm, kleiner Mann …«
    Die Straße war leer. Alles Geschehen der Umgebung war auf dem Platz, dem Friedhof und bei Marie Tatin konzentriert.
    »Morgen schenke ich dir ein noch dickeres Meßbuch, eins mit roten Zierbuchstaben am Anfang jedes Versikels …«
    Der Bub war verblüfft. Also wußte der Kommissar, daß es Meßbücher mit rotgedruckten Initialen gab, wie jenes, das auf dem Altar lag.
    »Nur mußt du mir ehrlich sagen, woher du dieses hier hast! Ich werde nicht mit dir schimpfen …«
    Es war interessant, bei dem Bengel das alte bäuerliche Mißtrauen erwachen zu sehen! Er schwieg! Er war b e reits in der Defensive!
    »Hast
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