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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän
Autoren: Georges Simenon
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angemeldet?«
    »Meistens. Vor allem die Dampfer. Sie fahren fast alle ihre reguläre Route, bringen Kohle aus England und verlassen Caen mit Erzen.«
    »Kommen Sie mit was trinken?« schlug Maigret vor.
    »Nicht vor Ende der Flut … Ich muß hierbleiben.«
    Und er rief unsichtbaren Männern, deren Standorte er genau kannte, Befehle zu.
    »Sind Sie mit einer Untersuchung beauftragt?«
    Vom Dorf her klangen Schritte. Ein Mann kam über das Schleusentor herüber, und als ihn der Lichtschein einer der Lampen traf, wurde ein Gewehrlauf sichtbar.
    »Wer ist das?«
    »Der Bürgermeister. Er geht auf Entenjagd; an der Orne hat er eine kleine Hütte. Sein Gehilfe wird wohl schon dort sein und alles für die Nacht vorbereiten.«
    »Was meinen Sie, hat das Hotel noch auf?«
    »Das Univers? Ja. Aber beeilen Sie sich. Denn sobald der Wirt mit seinem Kartenspiel fertig ist, legt er sich schlafen. Und dann steht er um keinen Preis der Welt wieder auf!«
    »Bis morgen!« sagte Maigret.
    »Ja. Ich werde ab zehn Uhr, bei der nächsten Flut, am Hafen sein.«
    Sie drückten sich die Hand, ohne daß sie sich näher kannten. Und das Leben in diesem Nebel, in dem man plötzlich jemanden anstieß, den man nicht gesehen hatte, ging weiter.
    Es war eigentlich nicht gerade unheimlich, es war etwas anderes, eine vage Unruhe, ein bedrückendes Angstgefühl; man nahm eine unbekannte Welt wahr, in der man fremd war und die um einen herum ihr eigenes Leben lebte.
    Diese mit unsichtbaren Menschen bevölkerte Finsternis! Dieser Segler zum Beispiel, der ganz in der Nähe darauf wartete, an die Reihe zu kommen, und den man nicht einmal erahnte!
    Maigret kam wieder an dem Fischer vorbei, der reglos unter seiner Laterne hockte. Er wollte irgendwas zu ihm sagen.
    »Na, beißen sie an?«
    Als Antwort spuckte der andere nur ins Wasser, und Maigret ging weiter und ärgerte sich über seine dumme Bemerkung.
    Das Letzte, was er hörte, bevor er das Hotel betrat, war das Klappern der Fensterläden im ersten Stock von Kapitän Joris’ Haus.
    Julie, die Angst hatte! Die Katze, die in dem Augenblick aus dem Haus schlich, als sie es betraten!
    »Wird das Nebelhorn die ganze Nacht heulen?« meckerte Maigret nervös, als er den Wirt des Hotels sah.
    »Solange der Nebel anhält … Man gewöhnt sich daran.«
     
    Er hatte einen unruhigen Schlaf, als läge ihm etwas schwer im Magen oder wie als Kind, wenn er in Erwartung eines großen Ereignisses einschlief. Zweimal stand er auf, preßte das Gesicht an die kalten Fensterscheiben und erblickte nichts als die verlassene Straße und das rotierende Scheinwerferlicht des Leuchtturms, das eine Wolke durchdringen zu wollen schien. Immer noch der Ruf des Nebelhorns, lauter jetzt und aggressiver.
    Als er das letztemal aufgestanden war, hatte er auf seine Uhr geschaut. Es war vier Uhr gewesen und die Fischer hatten sich mit ihren Körben auf den Schultern im rhythmischen Klappern ihrer Holzschuhe zum Hafen begeben.
    Jetzt, fast unmittelbar darauf, hörte er ein stürmisches Pochen an seiner Tür, die, noch ehe er geantwortet hatte, aufgestoßen wurde. Er sah in das bestürzte Gesicht des Wirts.
    Es war Morgen. Die Sonne schien auf die Fenster. Aber immer noch mahnte das Nebelhorn.
    »Schnell! Der Kapitän liegt im Sterben!«
    »Welcher Kapitän?«
    »Kapitän Joris! Julie kam in den Hafen gerannt, um Sie und einen Arzt zu holen.«
    Maigret stieg schon in seine Hose, schlüpfte in die Schuhe, ohne sie zuzuschnüren, und warf seine Jacke über die Schultern. Er vergaß, sich zu kämmen und seinen Kragen anzuknöpfen.
    »Wollen Sie nichts zu sich nehmen, bevor Sie gehen? Eine Tasse Kaffee? Ein Gläschen Rum?«
    Aber nein! Dafür hatte er keine Zeit! Trotz der Sonne war es draußen recht frisch, und die Straße war noch feucht vom Tau.
    Beim Überqueren der Schleuse konnte der Kommissar das Meer sehen, das sehr glatt und von einem blassen Blau war. Aber es war nur ein ganz schmaler Streifen zu sehen, weil etwas weiter draußen dicke Nebelschwaden den Horizont verhüllten.
    Auf der Brücke rief ihm jemand zu:
    »Sind Sie der Kommissar aus Paris? … Ich bin der Dorfpolizist. Ich freue mich … Haben Sie schon gehört …?«
    »Was?«
    »Es muß schrecklich sein! Ach, da kommt schon der Wagen des Arztes!«
    Die Fischerboote im Außenhafen schaukelten sanft, warfen rote und grüne Schimmer auf das sich kräuselnde Wasser. Die Segel mit ihren schwarz aufgemalten Nummern waren – sicher zum Trocknen – gehißt.
    Zwei oder drei
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