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Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Titel: Maigret - 35 - Maigrets Memoiren
Autoren: Georges Simenon
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mehr oder weniger namenlose Inspektoren durcheinanderwimmelten, habe ich mich auf drei, vier ausgeprägte Charaktere beschränkt.«
    Ich wollte einwenden:
    »Den übrigen paßt das nicht.«
    »Ich schreibe nicht für die paar Dutzend Kriminalbeamte. Wenn man ein Buch über die Lehrer schreibt, dann verärgert man so oder so Zehntausende von Lehrern. Dasselbe kann passieren, wenn man über Bahnhofsvorsteher oder Sekretärinnen schreibt. Wo sind wir stehengeblieben?«
    »Bei den verschiedenen Arten von Wahrheit.«
    »Ich wollte Ihnen beweisen, daß die meine die einzig gültige ist. Möchten Sie ein anderes Beispiel? Man braucht nicht wie ich so manchen Tag in diesem Haus verbracht zu haben, um zu wissen, daß die Kriminalpolizei als Zweig der Polizeipräfektur nur für Paris zuständig ist und ihre Handlungsfähigkeit nur ausnahmsweise auf das Seine-Departement ausdehnen kann.
    In Maigret und der tote Herr Galtet schildere ich aber ein Ermittlungsverfahren, das sich auf Mittelfrankreich erstreckte.
    Waren Sie dort, ja oder nein?«
    Natürlich war ich dort gewesen.
    »Ich bin hingefahren, stimmt, aber damals habe ich …«
    »Damals haben Sie vorübergehend nicht für den Quai des Orfèvres, sondern für die Behörde an der Rue de Saussaies gearbeitet. Wozu die Vorstellungen des Lesers mit solchen amtlichen Finessen verwirren?
    Soll ich denn jedesmal, wenn ich von einer Untersuchung berichte, zuerst erklären: ›Das war im Jahr Soundso. Maigret war demnach der Abteilung XY zugeteilt?‹
    Nein, lassen Sie mich ausreden …«
    Er verfolgte einen bestimmten Gedanken und wußte, daß er gleich an einen schwachen Punkt rühren würde.
    »Sind Sie Ihren Gewohnheiten, Ihrem Verhalten, Ihrem Charakter entsprechend ein Mann vom Quai des Orfèvres oder einer von der Rue des Saussaies?«
    Ich bitte meine Kollegen von der ›Sûreté Nationale‹, unter denen ich viele gute Freunde habe, um Verzeihung, aber ich verrate niemandem etwas Neues, wenn ich zugebe, daß zwischen den beiden Häusern eine gewisse Rivalität besteht, um es gelinde auszudrücken.
    Geben wir auch zu – was Simenon von Anfang an erfaßt hatte –, daß es vor allem in jener Zeit zwei ziemlich unterschiedliche Typen von Polizeibeamten gab.
    Die von der Rue des Saussaies unterstehen direkt dem Innenminister und befassen sich mehr oder weniger notgedrungen mit politischen Angelegenheiten.
    Ich nehme es ihnen nicht übel. Ich sage nur, daß ich persönlich lieber nichts damit zu tun habe.
    Unser Aufgabenbereich am Quai des Orfèvres mag begrenzter, alltäglicher sein. Wir befassen uns schlicht und einfach mit Übeltätern jeder Kategorie und ganz allgemein mit allem, was der Begriff ›Polizei‹, genauer: ›Kriminalpolizei‹, umfaßt.
    »Sie werden zugeben, daß Sie ein Mann vom Quai sind. Sie sind stolz darauf. Nun schön, ich habe aus Ihnen einen Mann vom Quai gemacht. Ich habe versucht, einen typischen Quai-Beamten darzustellen. Muß ich dieses Bild jetzt wegen ein paar Nichtigkeiten verwischen, nur weil Sie den Genauigkeitsfimmel haben? Muß ich erklären, Sie hätten Anno Soundso aus irgendwelchen komplizierten Gründen Ihren Arbeitsplatz vorübergehend gewechselt, was Ihnen die Möglichkeit gab, sich an allen Ecken und Enden Frankreichs beruflich zu betätigen?«
    »Aber …«
    »Augenblick! An dem Tag, da ich Sie kennenlernte, habe ich Ihnen gesagt, ich sei nicht Journalist, sondern Romanschriftsteller; ich erinnere mich auch, Monsieur Guichard versprochen zu haben, daß in meinen Berichten keinerlei Indiskretionen vorkommen würden, die ihm oder seinem Stab irgendwelche Unannehmlichkeiten bereiten konnten.«
    »Ich weiß, aber …«
    »So warten Sie doch, Maigret, verflucht nochmal!«
    Es war das erste Mal, daß er mich einfach Maigret nannte. Es war auch das erste Mal, daß ich mir von diesem Bürschchen den Mund stopfen ließ.
    »Ich habe die Namen geändert, ausgenommen den Ihren und den von zwei, drei Ihrer Mitarbeiter. Ich war auch darauf bedacht, die Örtlichkeiten zu verändern. Sicherheitshalber habe ich sogar die familiären Beziehungen zwischen den Personen ausgewechselt.
    Ich habe das Ganze vereinfacht, und manchmal bleibt von den vier oder fünf Verhören, die Sie anzustellen hatten, nur noch eines übrig, manchmal gibt es nur noch zwei oder drei Fährten, dort wo Sie vielleicht zehn vor sich sahen.
    Ich behaupte, ich bin es, der recht hat, und meine Wahrheit ist die richtige.
    Ich habe Ihnen einen Beweis mitgebracht.«
    Er deutete auf
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