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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter
Autoren: Georges Simenon
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anzuflehen, den Polizeiapparat in Bewegung zu setzen.
    Und dann plötzlich, nach vier Uhr, schien er die Meinung geändert zu haben, als hätte er es vorgezogen, die Polizei aus dem Spiel zu lassen.
    Das ärgerte Maigret. Der Ausdruck traf nicht ganz zu, aber es war ein bisschen, als wäre der Tote ihm untreu geworden.
    »Wie steht’s, Janvier?«
    Das Inspektorenbüro war blau von Zigarettendunst, und vier Männer hingen mit ausdruckslosen Blicken am Telefon.
    »Kein Stockfischpüree, Chef!«, sagte Janvier mit einem komischen Seufzer. »Ich habe schon das ganze Viertel abgesucht. Jetzt bin ich am Montmartre angelangt, und Torrence ist an der Place Clichy …«
    Maigret telefonierte ebenfalls vom Büro aus, rief aber ein kleines Hotel in der Rue Lepic an.
    »Mit dem Taxi, ja. Sofort.«
    Auf seinen Schreibtisch hatte man die in der Nacht aufgenommenen Fotos des Toten gelegt. Auch die Morgenzeitungen, Berichte und ein paar Zeilen des Untersuchungsrichters Coméliau lagen dort.
    »Bist du’s, Madame Maigret? … Ganz gut, ja … Ich weiß noch nicht, ob ich zum Mittagessen nach Hause komme … Nein, ich habe noch keine Zeit gehabt, mich rasieren zu lassen … Ich werde versuchen, noch beim Friseur vorbeizuschauen … Ja, ich habe gefrühstückt.«
    Er ging auch tatsächlich zum Friseur, nachdem er den Bürodiener, den alten Joseph, beauftragt hatte, einem Besucher, der gleich kommen würde, zu sagen, er solle auf ihn warten. Er brauchte nur die Brücke zu überqueren, betrat den ersten Friseursalon am Boulevard Saint-Michel und warf seinem Gesicht mit den dunkel umrandeten Augen, das ihm aus dem Spiegel entgegensah, einen missmutigen Blick zu.
    Er wusste, dass er, wenn er hier fertig war, dem Verlangen nicht würde widerstehen können, in den ›Caves du Beaujolais‹ ein Glas zu trinken. Erstens, weil er die Atmosphäre dieser kleinen Lokale, in denen man nie einen Menschen antrifft und wo der Wirt vertraulich mit einem plaudert, ganz besonders liebte. Zweitens, weil er auch den Beaujolais liebte, vor allem wenn er wie hier in kleinen Tonkrügen serviert wurde. Aber es gab noch einen anderen Grund: Er ging seinem Toten nach.
    »Mir war ganz komisch zumute, Herr Kommissar, als ich es heute Morgen in der Zeitung las. Dabei kannte ich ihn doch nur flüchtig, das wissen Sie ja. Aber im Grunde war er ganz sympathisch. Ich sehe ihn vor mir, wie er aufgeregt hereinkam. Er war natürlich ganz durcheinander, aber er hatte ein sympathisches Gesicht. Ich möchte wetten, dass er normalerweise ein lustiger Kerl war. Sie werden es vielleicht sonderbar finden, aber je länger ich über ihn nachdenke, desto mehr finde ich, dass er wie ein Komiker aussah … Er erinnert mich an jemanden … Schon seit Stunden grüble ich darüber nach …«
    »Sieht er jemandem ähnlich?«
    »Ja … Nein … Es ist nicht so einfach. Er erinnert mich an etwas, und ich komme nicht drauf, was es ist … Ist er noch nicht identifiziert worden?«
    Auch das war seltsam, wenn auch noch kein Grund zur Beunruhigung. Die Zeitungen waren am Morgen erschienen. Zugegeben, das Gesicht war entstellt worden, aber doch nicht so sehr, dass es jemand aus seiner engsten Umgebung – die Frau oder die Mutter zum Beispiel – nicht wiedererkannt hätte.
    Der Mann wohnte irgendwo, wenn auch vielleicht nur im Hotel. Er war die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen.
    Logischerweise hätte ihn jemand inzwischen auf dem Foto wiedererkennen oder sein Verschwinden melden müssen.
    Dennoch rechnete Maigret nicht damit. Er überquerte wieder die Brücke, den angenehmen, ein wenig herben Geschmack des Beaujolais im Mund. Dann stieg er die dunkle Treppe hinauf, wo ihn einige mit respektvoller Furcht musterten.
    Er warf einen Blick durch die Glaswand in den Warteraum. Der Mann, den er erwartete, stand schon da und rauchte gleichgültig eine Zigarette.
    »Hier entlang, bitte.«
    Er führte ihn in sein Büro, wies ihm einen Stuhl an und legte Hut und Mantel ab, wobei er seinen Besucher aus den Augenwinkeln beobachtete. Dieser hatte von seinem Platz aus die Fotos des Toten dicht vor den Augen.
    »Nun, Fred?«
    »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Herr Kommissar. Ich war nicht darauf gefasst, dass Sie mich anrufen würden. Ich wüsste nicht, was …«
    Er war mager, sehr blass und von einer fast effeminiert wirkenden Eleganz. Hin und wieder zogen sich seine Nasenflügel zusammen und verrieten, dass er rauschgiftsüchtig war.
    »Kennst du ihn nicht?«
    »Ich habe gleich beim Hereinkommen, als
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