Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17
Autoren: Simenon
Vom Netzwerk:
auf.
    »Aber ich geh nicht nach Hagenau! Ich geh da nicht hin! Da können Sie machen, was Sie wollen! Der Doktor hat gesagt, daß ich bald abkratze … Und die dreckige Hu…«
    Ein Stuhl knarzte. Sylvie hatte sich einen herangezogen, sank schräg auf ihm nieder und wurde ohnmächtig.
    Sie wurde erst langsam ohnmächtig, nach und nach. Aber es war nicht gespielt. Ihre Nase wurde dünn und blaß-, ihre Augäpfel sanken ein.
    »Nur wegen ihr war das alles!« schrie Jaja. »Lassen Sie sie! Oder nein … Ich weiß nicht. Ich weiß nicht mehr … Vielleicht hat auch Joseph alles eingefädelt. Sylvie. Meine kleine Sylvie …«
    Maigret hatte sich über die junge Frau gebeugt und tätschelte ihr die Hände und die Wangen.
    Jaja griff wieder nach der Flasche und trank, sie pumpte den Alkohol buchstäblich in sich hinein und mußte fürchterlich husten.
    Dann gab die große dicke Puppe einen langen tiefen Atemzug von sich, und ihr Kopf sank ins Kopfkissen.
    Er nahm Sylvie in die Arme und trug sie ins Erdgeschoß hinunter, wo er ihr die Schläfen mit kaltem Wasser betupfte.
    Das erste, was sie sagte, als sie die Augen aufschlug, war:
    »Es ist nicht wahr …«
    Mit tiefer, vollständiger Verzweiflung.
    »Ich möchte, daß Sie wissen, daß es nicht wahr ist. Ich will mich nicht besser machen, als ich bin. Aber es ist nicht wahr. Ich hab Jaja sehr gern! Er war es, der wollte … Verstehen Sie? Er hat mich monatelang so angeschaut und mich angefleht. Warum sollt ich’s ihm dann verweigern, wo ich jeden Abend mit andern auch …«
    »Scht! Leiser.«
    »Sie kann’s ruhig hören. Und wenn sie mal nachdenkt, wird sie’s auch verstehen. Ich wollte nicht mal Joseph was davon sagen, damit er nicht Profit draus schlägt. Und dann hab ich mich einmal mit ihm verabredet.«
    »Nur einmal?«
    »Ja, nur ein einziges Mal. Sie sehen! Es stimmt, daß er mir Schokolade gekauft hat. Er war ganz verrückt nach mir. So verrückt, daß ich schon Angst gekriegt hab. Er hat mich wie ein kleines Mädchen behandelt.«
    »Das ist alles?«
    »Ich wußte nicht, daß Jaja es hatte. Wirklich nicht, ich schwör’s! Ich dachte eher, daß Joseph … Ich hatte Angst. Er hat mir gesagt, daß ich noch mal ins Beauséjour gehn muß. Da würde mir jemand Geld geben.«
    Leiser fuhr sie fort:
    »Was sollte ich denn machen?«
    Von oben ertönte wieder ein Stöhnen, dasselbe Stöhnen wie vorhin.
    »Ist sie schwer verletzt?«
    Maigret zuckte die Achseln. Dann ging er hinauf. Er sah, daß Jaja schlief und daß sie in ihrem gequälten Schlaf so schwer seufzte.
    Als er wieder hinunterkam, horchte Sylvie angespannt auf die Geräusche im Haus.
    »Sie schläft«, flüsterte er. »Leise!«
    Sylvie begriff nicht. Sie sah Maigret erschrocken an, der sich eine neue Pfeife stopfte.
    »Bleiben Sie bei ihr. Wenn sie aufwacht, sagen Sie ihr, daß ich abgereist bin – und nicht wiederkomme.«
    »Aber …«
    »Sie werden ihr sagen, daß sie das alles nur geträumt hat, daß es Alpträume waren, daß …«
    »Aber ich verstehe nicht … Und Joseph?«
    Er sah ihr in die Augen. Dann zog er die zwanzig Geldscheine aus der Tasche, die noch immer dort waren.
    »Lieben Sie ihn?«
    »Sie wissen, daß man einen Mann braucht, wenn man …«
    »Und William?«
    »Das war was andres. Er stammte aus einer anderen Welt, er …«
    Maigret ging zur Tür. Während er den Schlüssel im Schloß umdrehte, wandte er sich ein letztes Mal um.
    »Sehen Sie zu, daß über die Liberty Bar nicht mehr geredet wird. Alles klar?«
    Als er die Tür öffnete, strömte ihm kühle Nachtluft entgegen. Von der Straße stieg eine nebelähnliche Feuchtigkeit auf.
    »Ich hätte nicht gedacht, daß Sie so sein können …«, stammelte Sylvie, die nicht wußte, was sie sagen sollte. »Ich … Jaja … Ich schwöre Ihnen, sie ist die beste Frau von der Welt …«
    Er drehte sich um, zuckte die Schultern und ging in Richtung Hafen davon. Ein paar Schritte hinter der Straßenlaterne blieb er stehen, um sich seine Pfeife wieder anzuzünden, die ausgegangen war.

11
    Eine Liebesgeschichte
    M
    aigret nahm das eine Bein vom anderen, sah seinem Gegenüber direkt in die Augen und reichte ihm ein gestempeltes Blatt Papier.
    »Kann ich …?« fragte Harry Brown mit einem besorgten Blick zur Tür, hinter der sich sein Sekretär und seine Stenotypistin befanden.
    »Es gehört Ihnen.«
    »Nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich bereit bin, ihnen eine Abfindung zu zahlen. Hunderttausend Francs für jede zum Beispiel. Verstehen Sie mich recht.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher