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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom
Autoren: Peter Watts
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haben Sie gehört? Die Flüchtlinge, die Feuersbrünste – ich kann nicht einmal annähernd schätzen, wie viele Menschen wir umgebracht haben, um die Welt vor Ihnen zu schützen. Haben Sie auch nur einmal über die Leute nachgedacht, die Ihnen geholfen haben? Wissen Sie, wie viele unschuldige Idioten an den Mythos geglaubt und alles dafür gegeben haben, um statt der großen Lenie Clarke eine Kugel abzukriegen? Und Sie müssen wissen, dass manche ihren Willen durchaus bekommen haben. Und der Rest – nun, die haben unter Ihrem großartigen Kreuzzug genauso zu leiden wie alle anderen auch.« Sie zog zwischen zusammengebissenen Zähnen den Atem ein. »Und Sie haben gewonnen, Clarke. Sind Sie nun zufrieden? Sie haben gewonnen. Wir haben getan, was wir konnten, um Sie aufzuhalten, und irgendwie war es trotzdem nicht genug. Und jetzt müssen wir an unsere eigenen Familien denken. Wenn wir auch die Welt nicht mehr retten können, so doch zumindest unser eigen Fleisch und Blut. Und wenn Sie versuchen, mich daran zu hindern, dann schwöre ich Ihnen, dass ich Sie eigenhändig umbringen werde.«
    Ihre Augen brannten, und ihr Gesicht war feucht. Doch es war ihr egal.
    Die Rifterin betrachtete sie einen Moment lang mit ausdrucksloser Miene. »Viel Spaß damit«, sagte sie schließlich.
    »Spaß?«
    »Mit Ihren Kindern. Und Ihrem Leben in diesem kleinen Loch, das Sie für sich gegraben haben. Das können Sie gern behalten. Sie sind nicht in Gefahr. Ich trage ßehemoth nicht einmal mehr in mir.«
    »Wie? Sie wollen keine Rache? Ist es nicht das, worum es Ihnen geht? Wollen Sie uns nicht gewaltsam an die Oberfläche zurückzerren, damit wir die Suppe auslöffeln, die wir der Welt eingebrockt haben?«
    Darüber musste Clarke sogar ein wenig lächeln. »Das ist nicht nötig. Hier unten haben Sie schon genug auszulöffeln.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wissen Sie, in gewisser Weise schulde ich Ihnen sogar etwas. Wenn Sie nicht gewesen wären, wäre ich nur eine weitere Drohne unter neun Milliarden anderen. Doch dann kamen Sie und Ihre Spießgesellen und haben mich zu etwas gemacht, das die ganze Welt verändern kann.« Sie lächelte erneut, ein schwacher, kalter Hauch von Belustigung. »Sind Sie stolz auf mich?«
    Rowan ging nicht weiter auf den Seitenhieb ein. »Also, warum sind Sie dann hier?«
    »Ich bin nur eine Botin«, sagte Clarke. »Ich soll Ihnen mitteilen, dass Sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Wenn Sie hier unten bleiben wollen, ist das Ihre Sache.«
    »Und?«
    »Und dass Sie nicht versuchen sollen, jemals zurückzukehren.«
    Rowan schüttelte den Kopf. »Das ist auch niemals Teil des Plans gewesen. Sie hätten sich die Reise sparen können.«
    »Ihre Pläne ändern sich im selben Moment, wenn sich die Situation ändert«, sagte die Rifterin. »Wir kämpfen dort oben um unser Leben, Rowan. Unsere Chancen stünden besser, wenn ihr Typen aus der Kommandozentrale euch nicht eingemischt und den Algorithmus unterwandert hättet. Womöglich haben Sie bereits unser Todesurteil unterschrieben. Aber wir können immer noch gewinnen. Es heißt, dass die Anemone eine verdammt leistungsstarke Rechenmaschine ist, wenn es uns irgendwie gelingt, sie zu zähmen.«
    »Ach, richtig. Die Anemone.« Rowan wischte sich das Gesicht ab. »Wissen Sie, ich bin immer noch nicht überzeugt davon, ob sie wirklich existiert. In meinen Ohren klingt das Ganze viel zu sehr nach pseudomystischer Wunscherfüllungsfantasie. Wie Gaia. Oder die Macht.«
    Clarke zuckte die Achseln. »Wenn Sie meinen.«
    Sie hat noch nicht einmal davon gehört , dachte Rowan. Die Vergangenheit ist für sie irrelevant, die Zukunft existiert nicht, die Gegenwart ist die Hölle auf Erden.
    »Und wie soll ein Haufen elektronischer Internetfauna Ihrer Meinung nach die Biosphäre retten?«, fragte sie.
    »Das ist nicht mein Fachgebiet.« Wieder dieses Achselzucken. »Aber es heißt, dass wir irgendwie ihre … natürliche Umgebung sind. Ihr Überleben ist von uns abhängig. Wenn wir sie dazu bringen können, das zu begreifen, werden sie uns vielleicht beschützen.«
    Nur wenn sie klüger sind als wir. Rowan gelang ein grimmiges Lächeln. »Gepriesen sei die Anemone. Werden Sie ihr Schreine errichten?«
    »Das werden Sie nie herausfinden«, sagte Clarke. »Denn wenn wir gewinnen, wird dort oben kein Platz mehr für Sie sein.«
    »Sie werden nicht gewinnen«, sagte Rowan.
    »Dann wird dort auch kein Platz mehr für uns sein. Aber das ändert nichts an Ihrer
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