Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Lisowsky
Vom Netzwerk:
Karren vorbeifuhren, und bedeckten ihre Nasen mit den Händen oder feinen Tüchern. Für Raigar hingegen war das der vertrauteste unter all den Gerüchen.
    Aber es gab ja alles in der Kaiserstadt. Kleider aus Drachenschuppen, Früchte, die aussahen wie zusammengerollte Igel, Teesorten, die die widersprüchlichsten Geschmäcker zusammenführten … Das war schon immer so gewesen. Nur eines gab es offenbar nicht, aber genau das war es, was er brauchte.
    Am Ende der Straße wies ein Schild mit zwei gekreuzten Würsten einen Laden als Metzgerei aus. Raigar steuerte darauf zu. Schon vor dem Eingang roch er das gewürzte Fleisch.
    Als er eintrat, bimmelte eine winzige Glocke über seinem Kopf. Ein Junge mit einem roten Gesicht, auf dem das Fett glänzte, stand hinter der Theke. In der Auslage türmten sich Fleischstücke, gewürfelt, geschnitten, eingelegt, geräuchert, getrocknet …
    »Ich suche Arbeit«, sagte Raigar und betrachtete die Wurstwaren.
    Der Junge verwies ihn mit einer Handbewegung an den Meister im Hinterzimmer. Raigar schulterte den Sack mit seinem Gepäck und ging durch die offen stehende Tür.
    »Hab schon gehört.« Ein Mann in dunklem Kittel arbeitete an einem Tisch, der zahllose Kerben und dunkle Verfärbungen aufwies. Er ließ ein Beil auf einen Fleischbrocken von der Größe eines Kissens niedergehen. Rote Spritzer sprenkelten seinen Kittel. Er warf Raigar einen Seitenblick zu. »Und ich kann dir sagen: Ich hab nichts. Für dich ganz bestimmt nicht.«
    »Das habe ich hier schon zu oft gehört. Habe ich irgendwas im Gesicht?«
    »Na, um ehrlich zu sein, ja.« Der Metzgermeister deutete mit seinem Beil auf Raigars Ohr.
    Raigar fasste sich über den Schädel. Seine Finger glitten über Narbengewebe und durch das lang gewachsene, schon grau gewordene Haar. Nur um die Stelle, wo einmal sein Ohr gewesen war und wo jetzt wie bei einer Eidechse nur noch ein kleines Loch klaffte, wuchs kein Haar mehr. »Ich kann noch hören wie jeder andere, wenn das das Problem sein sollte.«
    Der Metzger hackte weiter. Zwei dicke Fliegen umkreisten ihn, ihr Surren erfüllte das kleine Zimmer. Das Beil senkte sich wieder auf die Holzplatte. Als sich eine der Fliegen auf die breite Nase des Metzgers setzte, scheuchte er sie fort. »Das Hören ist aber nicht das Problem. Das wissen wir beide ziemlich genau.«
    »Ich nicht«, sagte Raigar und stellte seinen Gepäcksack ab. »Ich weiß nicht, was das Problem ist. Mein Name ist Raigar. Ich bin nicht leer im Schädel, und ich kann ganz gut zupacken.«
    Der Metzger verzog den Mund, hob das Beil noch einmal und schlug zu. Diesmal traf er nicht das Fleisch, sondern das Holz. Das Beil blieb stecken. »Ich sehe deine Arme, und ich glaube dir, dass du damit zupacken kannst. Und du könntest mir damit auf der Stelle den Hals umdrehen, wette ich.« Er wischte sich die Hände an einem feuchten Tuch ab und warf es in einen Wassereimer. »Wie viele hast du damit schon umgebracht?«
    »Ich bin kein Mörder«, sagte Raigar etwas lauter als geplant. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Thekenjunge fortging.
    »Oh, komm mir nicht damit.« Der Metzgermeister baute sich vor ihm auf. Obwohl er groß war, reichte er Raigar nur bis zur Nasenspitze. Er griff hinter ihn und zog sein Schwert aus der Rückenscheide. Auf dem breiten Heft prangte das Siegel des Kaisers, ein Löwenkopf. Der Metzger wog die Waffe in der Hand. »Ziemlich billig. Ohne Kunst geschmiedet, Massenware. Wir wissen beide, woher das ist. Der Feldzug in den östlichen Wüsten. Du bist ein Krieger, und du tötest.«
    Raigar entriss dem Mann das Schwert mühelos und nahm es wieder an sich. »Diese Klinge hat kein Blut gesehen. Und in den Wüsten habe ich nur dem Kaiser gedient. So, wie Ihr es hier auf Eure Art tut.«
    »Komm nicht auf die Idee, dich mit mir zu vergleichen, mein Freund, bloß weil wir beide Metall in Fleisch hacken.« Der Metzger starrte ihn an. Einen Moment lang sah er so aus, als wollte er etwas versuchen. Dann drehte er sich um und ging an seinen Arbeitstisch zurück. »Der Kaiser will solche wie dich hier nicht mehr haben. Er will ein Friedensreich. Hier ist kein Platz mehr für Blut und Mord.«
    »Ich …« Raigar schob das Schwert zurück in die Scheide und hielt sich am Arbeitstisch fest. »Hört zu, ich will nur Arbeit. Ehrliche Arbeit, damit ich Geld für eine Wohnung oder ein Zimmer zusammenbekomme. Wenn wir uns irgendwie missverstanden haben sollten …«
    »Haben wir nicht.« Der Metzger nahm wieder das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher