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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery
Autoren: Sven Regener
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mir Gesicht und Hände und machte mich zurück auf den Weg zur Springtime, wo, wie ich müde und irgendwie innerlich verkitscht zu denken mich nicht hindern konnte, mein Schicksal auf mich wartete.
    Aber als ich aus dem Fluxi-Tunnel heraus in den Ringstrom kam, war alles aus. Ich kam nicht hinüber, ich traute mich nicht einmal hinein in den Ringstrom, ich sah die ganzen Leute und kriegte einen Flash, ich hielt am Ausgang des Fluxi-Tunnels an und die Paranoia kam über mich wie ein Schlag auf den Schädel, da war kein Herankriechen und kein Anschleichen und kein langsames Sichaufbauen von Paranoia mehr, da war einfach dieser Schlag und die Paranoia war da und schloss mich von allen Seiten ein wie eine eiserne Jungfrau, ich hatte so eine mal in einem Mittelaltermuseumsquatsch mit meinen Eltern gesehen, das war bei einem dieser Ausflüge gewesen, und genau so, wie ich mir damals vorgestellt hatte, dass es wohl wäre, wenn man in eine solche eiserne Jungfrau gesteckt und die dann zugeklappt würde, genau so fühlte ich mich in diesem Moment, ich konnte mich nicht mehr bewegen, nicht einmal so weit, dass es dafür gereicht hätte, sich an die nächste Wand zu lehnen, ich stand am Ende des Fluxi-Tunnels und schaute die Leute an, die da dicht an dicht gepackt an mir vorbeiströmten mit bleichen Gesichtern und durchgeschwitzten Klamotten und bunten Haaren und freakigen Outfits und was weiß ich, ich sah also diese Leute und ein Weitergehen war unmöglich und ich wusste zugleich, dass ich auch nicht mehr zurück ins Fluxi gehen konnte, denn wenn ich jetzt ins Fluxi zurückging, wäre das die ultimative Niederlage gewesen, zurück ins Fluxi-Bett war auch zurück nach Hamburg und zurück in die Clean Cut 1, und ich schaute mich um, während ich dort stand und nicht vor- und nicht zurückkonnte, ich drehte den Kopf zur Seite, nach links, nach rechts, nur weg von den vielen Leuten, die alle ganz schön abgefuckt aussahen, die Körper verwohnt, die Gesichter abgespannt und stumpf, wahrscheinlich war es das Neonlicht und der Moment der Abschlaffung, den sich die Leute außerhalb der großen Halle gönnten, aber ich konnte den Kopf zur Seite drehen und weg von den Leuten und einfach auf das letzte Stück der Fluxi-Tunnelwand blicken und ich weiß nicht, was die Leute vom Fluxi oder von der Ruhr-Emscher-Halle sich dabei gedacht hatten, aber sie hatten nun mal diese Farbe für den Sichtbetonanstrich in diesem Tunnel ausgesucht, deren Anblick mich jetzt insofern weiterbrachte, als ich auf einmal ganz genau wusste, was ich vergessen hatte und was ich auf jeden Fall tun musste: Rosa finden und mit ihr reden.
    Und ich gab mir einen Ruck und riss mich zusammen und schaffte vollendete Tatsachen, so wie früher, wenn man im Freibad auf dem Fünfmeterbrett stand und natürlich nicht springen wollte, wie denn auch, wer war denn so irre, von sowas runterzuspringen, und dann zwang man sich selbst, indem man einfach den einen Schritt weitermachte und dann fiel man, und so machte ich auch jetzt einen Schritt vor und stürzte mich mit geschlossenen Augen in den Menschenstrom und ließ mich mittreiben, und so wie man im Freibad, wenn man ins Wasser eintauchte, die Luft anhielt, so hielt auch ich die Luft an, bis ich die nächste Treppe erreicht hatte, die mich raus aus dem Gewühl und nach oben führte.

76. Rosa
    Als ich schließlich oben ankam, war es etwa drei Uhr und die BummBumm-Lounge nicht die einzige, der das Bier ausgegangen war, die Magnetic-Lounge war so voll, dass ich die Leute beiseite schieben musste, um hineinzukommen. Ich entdeckte Werner und Schöpfi und Raimund und Ferdi und winkte ihnen zu, während ich mich durch das Gedränge schob und dabei mit Bier bekleckert wurde, denn es war so voll, dass die Leute ihre Becher oft hoch über den Köpfen hielten, wodurch es unaufhörlich Bier regnete, wenn man durch sie hindurchpflügte. Ich fand Rosa in einer hinteren Ecke, sie stand dort mit einem Bier und nippte daran, und als sie mich kommen sah, lächelte sie und winkte mit einer Hand.
    »Du hast nichts zu trinken«, sagte sie, als ich bei ihr war.
    »Nein«, sagte ich. »Kein Bier für mich. Ich darf doch keins.«
    »Das hier ist mit Koks, sagt Ferdi«, sagte sie und zeigte auf ihren Becher. »Hat er mir geschenkt. Da glaub ich aber kein Wort von.«
    »Ja, das ist Ferdis Ding« sagte ich. »Das hat er früher schon immer gemacht.«
    »Ich bin erst um sechs Uhr mit Auflegen dran. Ich wollte mich eigentlich vorher nochmal hinlegen, aber
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