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Mafiatod

Mafiatod

Titel: Mafiatod
Autoren: Donald E. Westlake
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Spülbecken. Ein kleiner dunkelroter Punkt färbte den Rücken seines Hemdes, etwas unterhalb und rechts von der Stelle, auf die ich gezielt hatte.
    Ich feuerte abermals, diesmal ein wenig höher und mehr nach links, und jetzt war ich auf den Rückschlag vorbereitet; ich behielt das Ziel im Visier und sah, wie die Kugel ihn vorwärts schleuderte, wie sich der zweite rote Punkt bildete; und als er außer Sicht rutschte, richtete ich mich auf, das Gewehr locker in der rechten Hand.
    Jetzt erwachte die Welt zu geräuschvollem Leben. Ich hatte beide Schüsse nicht gehört, auch sonst nichts, aber jetzt hörte ich so plötzlich, als ob ein Knopf am Rundfunkapparat gedreht worden wäre, Rufen und Schreien, hörte sogar schwere Schritte über die Holzdielen im Haus trampeln.
    Ich machte kehrt und ging wieder in den Wald hinauf. Etwa eine halbe Stunde schlich ich durch die Dunkelheit; nur der ansteigende Boden ließ mich eine gerade Linie nach rechts einhalten. Als ich stehen blieb, befand ich mich allein in der Stille. Ich wurde nicht verfolgt.
    Ich sank unter einen Baum, um auf die Morgendämmerung zu warten. Ich fror jämmerlich. Ich schlief zeitweise und träumte von Ungeheuern und kindischen Dingen. Jedes Mal, wenn ich aufwachte, rauchte ich eine bitter schmeckende Zigarette und wölbte die Hände um die Glut, um sie zu wärmen.
    Bei Tagesanbruch erhob ich mich und stapfte umher, um wieder Wärme in meinen Körper zu bringen. Ich blieb jedoch in der Nähe meines Baumes, bis die Sonne aufging. Dann ließ ich Smittys Revolver und das Gewehr unter dem Baum liegen und ging durch den feuchten Wald zu dem Haus zurück.
    Das Haus war verlassen. Die Autos waren weg. Ich folgte dem Feldweg zur Asphaltstraße und bog nach links ab. Eine Frau, die mit zwei kleinen Kindern und einem Dobermannpinscher unterwegs war, nahm mich in ihrem Kombi bis Suffern mit. Von dort fuhr ich mit dem Bus nach New York. Ich ging in mein Hotelzimmer, stand lange unter der heißen Dusche und legte mich ins Bett. Ich schlief vierzehn Stunden traumlos, und als ich mit benommenem Kopf aufwachte, stellte ich fest, dass ein Brief gekommen war.
    Es war ein Brief von Onkel Henry, ein dicker Umschlag mit Papieren. Er ermahnte mich in seinem Schreiben, vorsichtig zu sein, und bat mich, nach Binghamton heimzukehren. Er schickte mir Schriftstücke, die Bills Haus, seinen Wagen und sein Töchterchen betrafen und die ich unterzeichnen musste. Außerdem sandte er mir einen Zeitungsausschnitt aus der Binghamton Press.
    Zu dem Ausschnitt schrieb er: »Diese Nachricht wird dir wohl eine Last vom Herzen nehmen.« Der Ausschnitt zeigte das Bild eines verängstigten Mannes mit schütterem Haar und dunklem Anzug, den ein Polizist mit Sonnenbrille am Arm hielt. In dem dazugehörigen Artikel stand, der Polizei sei es dank ihrer methodischen Arbeit gelungen, den Autounfall vom neunundzwanzigsten August aufzuklären, bei dem Mrs. Ann Kelly, Mutter eines Kindes, ums Leben gekommen sei. Der Mann, der sich der fahrlässigen Tötung und der Fahrerflucht schuldig gemacht hatte, hieß Drugay, stammte aus Scranton und war Handelsvertreter für Elektrogeräte.
    Mit der Organisation hatte er überhaupt nichts zu tun.

27
     
    Eddie Kapp hatte mich belogen. Er hatte mich einfach belogen.
    Meine Schwägerin war nicht von der Organisation umgebracht worden.
    Er hatte mich belogen. Ob in mancher Hinsicht, ob in jeder Hinsicht und in welcher Hinsicht sonst, das wusste ich nicht.
    Warum hatte er mich belogen? Damit ich bei ihm blieb.
    Aber wenn er mich wirklich hatte bei sich behalten wollen, dann hätte er mir die Wahrheit sagen müssen. Dann hätten seine Lügen gestimmt, oder sein Wunsch, mich bei sich zu behalten, wäre eine Lüge gewesen.
    Er sagte, ich wäre ein Symbol, um das sich seine Getreuen scharen würden. War das eine Lüge? Wenn ja, so wäre sie sinnlos gewesen. Seine Getreuen hatten sich ja um ihn geschart. Nick Rovito hatte mich getestet. Niemand hatte gefragt, was ich dort gesucht hatte. Wie konnte es also eine Lüge gewesen sein?
    Er sagte, Ed Ganolese wüsste über das Symbol Bescheid und wolle es zerstören. War das eine Lüge? Aber ein bräunlich elfenbeinfarbener Chrysler hatte meinem Vater und fast auch mir den Tod gebracht. Derselbe bräunlich elfenbeinfarbene Chrysler hatte es auf Eddie Kapps Leben abgesehen, und derselbe bräunlich elfenbeinfarbene Chrysler hatte vor dem Haus gestanden, wo sich Ed Ganolese versteckt hielt. Wie konnte das also Lüge gewesen
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