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MärchenSpiel (German Edition)

MärchenSpiel (German Edition)

Titel: MärchenSpiel (German Edition)
Autoren: Jennifer Schreiner
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    Kinderkeller
     
    Im Treppenhaus lauerten die ersten Erinnerungen aus meiner Kindheit auf mich.
    Viel zu dunkel, trotz Licht. Blutrote Fliesen, die die Helligkeit verschlangen. Der Weg in den Hof, wo die Mieter ihre Kinderwagen parkten und der auch am Kellereingang vorbeiführte.
    Ein Schaudern lief mir über den Rücken.
    Den Keller hatte ich total verdrängt. Bis jetzt. Hätte ich mich eher erinnert, hätte ich dieser Wohnung niemals zugestimmt.
    Ich war mir sicher, dass ich Nein gesagt hätte. Zu spät.
    Wieso bin ich nicht mitgefahren, um bei der Familienentscheidung dabei zu sein? – Ach ja, ich hatte mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus gelegen.
    „Liebling, kommst du?“, rief mein Mann vom ersten Treppenabsatz nach unten.
    Ich wandte mich von dem Anblick der dunklen Nische ab und folgte ihm in den zweiten Stock. Ich hatte keine Einwände gegen diese Wohnung vorbringen können. Sie war toll. Ich hatte hier schon einmal gewohnt. – 16 Jahre, um genau zu sein. Meine ganze Kindheit lang.
    Zwei Kinderzimmer, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad, Toilette. Wunderbar.
    Der Vermieter war so nett, sie uns trotz Modernisierung zu demselben Preis anzubieten, den meine Eltern damals gezahlt hatten. – Wo gab es heutzutage noch so etwas?
    Wir hatten Ja gesagt. – Ich hatte den Keller vergessen!
    Missmutig folgte ich meiner Familie in die neue Wohnung. Es war zu spät. In einer halben Stunde würden die Möbelpacker da sein.
    Flur in Ordnung, Küche super, Bad renoviert. Erste Kinderzimmer.
    Oh mein Gott!
    Ich krallte mich am Türrahmen fest.
    „ Gefällt es dir, Mama?“
    Ob es mir gefiel? Es war traumhaft. Eine traumhafte Hölle.
    „Ich habe mir gedacht, dass du hin und weg sein wirst, Schatz!“ Mein Mann zog mich in seine Arme.
    „ Bin ich nicht!“, murmelte ich leise.
    „ Guck mal, Mama! Hinter der Tür ist eine Truhe, da kann ich meine ganze Unordnung reinräumen!“ Meine älteste Tochter strahlte.
    Ich betrat den Raum und suchte nach Veränderungen. Es gab keine. 16 Jahre waren vergangen, drei andere Familien hatten hier seitdem gelebt und es war immer noch mein Kinderzimmer.
    Derselbe riesige Wandschrank mit Regalen, Fächern, Kleiderschrank und Schreibtisch. Das passende Bett ohne Matratze und die Truhe.
    Selbst das Wandbild war noch dasselbe.
    „Ist das Bild nicht toll?“, erkundigte sich Juliana ehrfürchtig.
    Das war es. Ich selber hatte es damals ausgesucht.
    „Ich finde, wir sollten dir ein eigenes Zimmer kaufen. Ein neues Zimmer. Eines, was du dir selber ausgesucht hast“, versuchte ich sie hilflos zu ködern.
    Wenn ich meinem Mann oder ihr sagte, dass dies hier mein altes Kinderzimmer war, würden sie nostalgisch werden und es erst recht behalten wollen.
    „Nein, Mama! Ich würde mir genau dieses Zimmer wünschen!“ Juliana drehte sich mitten im Raum einmal um ihre eigene Achse.
    Ich öffnete den Kleiderschrank. Sauber. Wie neu.
    Was sollte ich machen? Sollte ich ihr von dem Ungeheuer in dem Kleiderschrank erzählen? Davon, dass es unter dem Bett ein Monster gab, welches einen zwang mit Anlauf ins Bett zu springen, damit es nicht nach einem greifen konnte?
    Sie würde mich auslachen und sagen: Mama, für so etwas bin ich schon zu groß.
    Genau das hatte ich mir damals auch immer eingeredet. – Bevor ich mit Anlauf ins Bett gesprungen war.
    Aber für manche Dinge ist man nie zu groß – und manche Dinge vergisst man nie.
    Ich warf einen Blick auf die Nachttischlampe und mein Mund wurde staubtrocken.
    Sie und die Lampe am Schreibtisch waren das schlimmste am ganzen Zimmer. – Man konnte sich nie auf sie verlassen. Tagsüber funktionierten sie prächtig, oder abends, wenn man noch lesen wollte.
    Aber wehe man wachte nachts auf, weil man einen schlechten Traum gehabt hatte.
    Wenn man sie dann benutzte, funktionierten sie so gut wie nie. Weil man sie brauchte. Weil man hoffte, dass sie funktionierten.
     
    In der ersten Nacht kam auch der erste Alptraum. Ich hatte es schon vorher gewusst. Was ich nicht geahnt hatte war, dass der Traum nur eine Vision des Traumes und der Erlebnisse sein würde, die ich in meiner letzten Nacht in dieser Wohnung gehabt hatte. Bevor wir auszogen. Vor einer halben Ewigkeit. – Damals wusste ich nicht, dass ich wiederkehren würde.
    Wieder rannte ich vor einem unbekannten Feind davon, während hinter mir die grüne Wiese verdorrte und die Dunkelheit aufholte. Bis
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