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Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre

Titel: Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
Autoren: Viele Verschiedene
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meinte er, schlafen werde er nun ausgezeichnet, doch zuvor müsse man noch den knurrenden Magen etwas besänftigen.
    Sogleich keifte die Alte wieder: „Ein Nachtessen? Und woher soll ich’s nehmen, hab selber seit drei Tagen keinen Bissen im Munde gehabt.“
    Der Wandergesell tat erschrocken: „Wie? Wirklich? Keinen Bissen? Dann muß Euch ja der Hunger furchtbar zwacken, Mutter. Ja, dann... dann muß ich wohl heute mal Koch spielen und Euch zu einem Abendessen oder, besser, zu einem Festmahl einladen.“
    Die Alte schnappte nach Luft. „Einladen? Ihr...mich? Zu einem Festmahl? Hach! Da lachen ja die Hühner!“ Sie schielte zu seinem Bündel in die Ecke. „Und wo wollt Ihr’s hernehmen?“
    Aber der Wandergesell summte: „Und wer Augen im Kopf - hat bald Suppe im Topf“, schnürte sein Bündel auf und bat: „Reicht mir einen Topf Wasser, gute Frau!“
    Die Neugierde war der Alten an Mund und Nase abzulesen. Sie gab ihm den Topf, er setzte ihn aufs Feuer und legte Holz nach, daß die Flammen schön hell loderten. Jetzt entnahm er seinem Bündel einen großen blanken Nagel, warf ihn dreimal hoch in die Luft, schnupperte daran und legte ihn vorsichtig in den Topf. Die Alte glotzte.
    „Was wollt Ihr kochen?“ fragte sie.
    „Nagelsuppe!“ erklärte er kurzerhand. „Reicht mir den Rührlöffel, Mutter!“ Nachdem sie’s getan, begann er das Wasser umzurühren, so daß der Nagel am Topfboden scheuerte.
    „Nagelsuppe?“ fragte sie zweifelnd.
    „Ei gewiß doch“, sagte der Mann leichthin. „Mancher weiß viel und weiß doch nicht alles.“
    Viele Suppen hatte die Frau in ihrem Leben gekocht, fette und magere, aber daß man aus einem Nagel eine Suppe kochen könne, das war eine Neuigkeit, die sollte man sich nicht entgehen lassen. Als habe er in ihren Gedanken gelesen, sagte er rasch: „Der eine kennt dies, der andere das. Schau Sie nur gut hin, so kann Sie noch was lernen. Es ist die Kunst der armen Leute“, und er rührte beharrlich im Topf.
    Die Alte saß am Tisch und stützte das Gesicht in die Hände. Ihre Augen wanderten mit dem Rührlöffel nach links, dann nach rechts und wieder nach links und nach rechts.
    Nach einer Weile hob der Mann die Nase über den Topf.
    „Sie duftet schon“, stellte er schnuppernd fest, „aber sie bleibt diesmal etwas dünn. Das kommt davon, weil ich schon die ganze Woche von dem Nagel gekocht und ihn noch keinem Mastochsen unter den Schwanz gehalten habe; denn das gehört dazu. Aber man könnte der Sache auch anders beikommen.“ Und er rührte mit dem Löffel und sie mit den Augen.
    „Wie denn?“ erkundigte sie sich; denn eine dünne Suppe, das war nichts Rechtes.
    „Je nun“, bemerkte der Mann obenhin, „der eine hat dies, der andere das, und eine Hand wäscht die andere. Eine Handvoll Hafermehl würde schon genügen.“
    Und siehe da - die Alte erhob sich und stand sinnend am Herd. „Ein bißchen Mehl werd ich schon noch zusammenkratzen“, sagte sie und ging zum Schrank. Es war mehr als eine Handvoll, und weiß war es obendrein.
    „Oh, eine Suppe wird das, an die werdet Ihr noch lange denken“, lachte er fröhlich und gab nach und nach das Mehl daran, dann rührte er schneller, und die Augen der Alten gingen mit im Kreise immer rundum und rundum, und ihr ward bald schwindlig.
    „Freilich, die Feinschmecker, diese Leckermäuler, die legen jetzt noch ein Streifchen Pökelfleisch oder Speck dazu und werfen ein paar Kartoffeln hinterher. Das macht die Suppe sämiger und nahrhafter. Doch wozu nach oben schielen?“ Er rührt mit dem Löffel, sie mit den Augen.
    Hat der Mann nicht Feinschmecker gesagt? denkt die Alte. Und Speck? Aber da wird doch noch ein Endchen im Rauchfang hängen! Wieder erhebt sie sich und kommt mit Pökelfleisch und Speck zurück.
    Der Wandergesell flötet: „Eine Mahlzeit wird das, ein Süppchen! Jeder Fürst würde sich alle zehn Finger danach lecken. So einer kriegt doch immer nur Gebratenes“, und er rührt mit dem Löffel, sie mit den Augen.
    Dabei denkt die Frau: Das ist ja nicht zu glauben! Eine fürstliche Suppe werden wir haben. Und alles von einem Nagel! Am Ende ist dieser Landstreicher gar ein Zaubermeister? Ein Glück, daß ich ihn aufgenommen habe. - Er aber pfeift vergnügt vor sich hin.
    „Tja, eine fürstliche Suppe! Doch etwas Grieß und drei Tropfen Milch daran, und selbst der König würde sich mit an unseren Tisch setzen. Ich weiß, was den Herren schmeckt, habe ja selber mit ihnen gespeist - und nicht nur einmal.
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