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Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre

Titel: Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
Autoren: Viele Verschiedene
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Till Eulenspiegel gleicherweise, verblüffende Antworten zu erteilen, mit größtem Vergnügen spießte er Dummköpfe und Angeber auf und gab sie der Lächerlichkeit preis, mochten es Fürsten oder Roßtäuscher sein. Die Märchenerzähler aller Zeiten nahmen sich mit besonderer Liebe der lustigen Streiche, aber auch der hilfreichen Taten solcher Spaßvögel und Schelme an, davon zeugt die lebendige, mitreißende Erzählweise dieser heiteren, oft auch boshaften und aufwieglerischen Geschichten.
    Witz, List und Schlauheit heißt die Klugheit der einen, Verstandesschärfe, Geistesgegenwart, Furchtlosigkeit und rasche Entschlußkraft die der anderen. Wenn Bruder Däumling dank seiner Narrenweisheit von den großen Fischen mitessen kann, die sonst nur dem König serviert wurden, wenn Nieju sangbu, der Tibetaner, seinen verhaßten Herrn veranlaßt, vor versammelter Neujahrsgesellschaft wie ein Hund zu bellen, dann wird nicht nur bei den im Märchen Anwesenden, sondern bei allen Zuhörern Heiterkeit ausgelöst und Bewunderung für den Scharfblick und die Kombinationsgabe der Märchenhelden. Wie klein und lächerlich erscheinen daneben die mit Machtfülle, aber geringem Verstand begabten hohen Herrschaften! Was sie im Leben zu verhindern wußten, dazu bot sich im Märchen Gelegenheit: Es enthüllte ihren wahren Charakter, ihren Hochmut und Geiz, ihre Gewinnsucht, ihre Aufgeblasenheit und Dummheit.
    Bemerkenswert ist die große Zahl kluger Frauen in diesen Märchen und Schwänken. Obwohl ihr Leben ganz auf häusliche Pflichten beschränkt war und sie in der Männerwelt nicht mitzureden hatten, verblüffen sie in reizvollen Geschichten ihre Umwelt durch Scharfsinn und Verstand, sie lösen die kompliziertesten Aufgaben mit Mutterwitz, Phantasie und Weisheit. Das Mädchen aus dem Volke - in vielen Ländern ist es die kluge Bauerntochter - wird mit den verzwicktesten Rätselfragen fertig und erteilt ihrem Aufgabensteller, der sich wunder wie schlau dünkt, durch Übertrumpfung seiner unmöglichen Forderungen handfeste Lehren.
    Der Märchenerzähler konnte als Anwalt und Freund der Zurückgesetzten und Schwachen durch seine dichterische Phantasie das ausgleichen, was in der Wirklichkeit unvollkommen und fehlerhaft war. Kein Wunder, daß er darum auch die Kleinen und Winzigen, die zu Unrecht verlachten Dümmlinge zu seinen Lieblingen machte. Wenn er sie mit allen erdenklichen Gaben der Klugheit und des Witzes ausstattete, so verbarg sich dahinter die Aufforderung: Besinne dich, kleiner Mensch, auf deinen Verstand!
    Auch der Hase gehört in die Reihe der Kleinen und Schwachen, die den Kampf mit den ungleich Stärkeren aufnehmen. Darum durften er und manch anderes kleine, mutige Tier in dieser Sammlung nicht fehlen. Die Geschichten, in denen sie auftreten, die Tierfabeln, sind sehr alt. Sie zeigen eine Gesellschaft der Tiere, die haargenau der Menschengesellschaft von damals gleicht: Das Recht des Stärkeren gilt; der schwache Untertan hat sich zu unterwerfen und wird, je nach Laune der Großen, verspeist. Mit Hilfe der Fabel und ihrer klug ersonnenen Handlung übte der Erzähler verdeckt, aber scharf Kritik an den Herrschenden und ihren Ratgebern, er vermittelte seinen Zuhörern Einsichten und brachte sie zum Nachdenken über ihr eigenes Leben.
    Die Märchen wurden in der Regel von Fischern oder Schäfern, abgedankten Soldaten und fahrendem Volk, Bäuerinnen und Spinnfrauen erzählt. Sie kannten sich in der Welt der Armut aus, und so ist es nicht erstaunlich, daß in der Mehrzahl ihrer Geschichten Arme die Helden sind. Im Zaubermärchen, das wie die Tierfabel in frühester Zeit entstand, konnten die Menschen nur auf das Wunder hoffen, ein anderer Weg aus der Enge des Daseins war für sie noch nicht sichtbar. Später aber, in einer sich mehr und mehr entfaltenden Klassengesellschaft, trugen die Erzähler mit ihren Märchen von den aufsehenerregenden Taten der Schwachen und von der List und Kühnheit der Entrechteten, die ihre Herren mit beißendem Spott bloßstellten und dem Gelächter überlieferten, auf ihre Weise dazu bei, daß die einfachen Menschen sich ihrer Kraft bewußt wurden. Unermüdlich, unüberhörbar kündeten sie von dem Einfallsreichtum des Volkes und der Klugheit, dem Gold der Armen.
    Unsere Märchensammlungen, in denen die Zaubermärchen den größten Raum einnehmen, sind fast ausschließlich nach Herkunftsländern zusammengestellt. Mir schien es an der Zeit, einmal jene Märchen hervorzuheben, welche die größte
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