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Maenner weinen nicht

Maenner weinen nicht

Titel: Maenner weinen nicht
Autoren: Constanz Loeffler
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Frau, nun musste er sich allein um die gemeinsamen Kinder kümmern. Eine weitere Ehe scheiterte. Dazu kamen die Arbeit als Abgeordneter des Landkreises Ravensburg, die Sitzungswochen im Deutschen Bundestag in Berlin, diverse Ämter und Sonderaufgaben.
    Schockenhoffs Geständnis entfachte einmal mehr die Diskussion, ob Politiker gefährdeter als Normalbürger sind, zum Alkoholiker zu werden: der Termindruck, die Verantwortung, die häufige Trennung von der Familie, die Beobachtung durch die Medien – auch Parteifreunde sind nur Menschen. Suchtexperten sehen diese Verknüpfung jedoch kritisch: Sicherlich dienen das Glas Wein, der abendliche Cognac oder das Feierabendbier so manchem Politiker dazu, den Druck zu vergessen, abzuschalten oder einfach einzuschlafen. Das sogenannte »Entlastungstrinken« ist weit verbreitet. Alkoholkrank wird man davon aber noch nicht.
    Was jedoch, wenn Männer dem Druck nicht standhalten? Wenn der Stress zur Überforderung wird? Wenn einst im Sturm genommene Aufgaben plötzlich unlösbar erscheinen? Die Angst vor der eigenen Courage wächst? Das Getriebensein und der Druck können krank machen. Und aus unbewältigten Konflikten kann eine Depression entstehen. In solchen Situationen greifen Männer dann auch häufiger zur Flasche, weiß Wolfersdorf. Der Alkohol soll die kreisenden Gedanken stoppen, soll helfen, sich zu entspannen und die Ängste zu betäuben. »Eine Depression erhöht das Risiko, alkoholkrank zu werden, um das Doppelte bis Dreifache«, sagt der Depressionsspezialist aus Bayreuth.
    Vor allem zu Beginn einer Depression wirkt der Alkohol entspannend und erleichternd; seine euphorisierende Wirkung lässt die innere Leere und Traurigkeit, die Unruhe und Anspannung besser ertragen. Doch irgendwann wendet sich das Blatt: Weil die im Alkohol enthaltenen Zellgifte das Nervensystem schädigen, drückt der Stoff selbst auf die Stimmung. »Drei von vier Alkoholkranken zeigen depressive Symptome«, erklärt Wolfersdorf. Wer dann den Verzicht versucht, der wird spüren: Durch den Entzug sinkt die Laune weiter. Ein fataler Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist. Die Frage nach der Henne oder dem Ei – ob also die Alkoholkrankheit oder die Depression das ursächliche Problem darstellt – lässt sich in der Praxis oft nur schwer beantworten. Und doch ist es wichtig, das zu klären. Ist der Patient durch die Alkoholsucht niedergeschlagen, hat er keinen Antrieb mehr, dafür aber immer größere Selbstzweifel, behandelt der Arzt zunächst die Sucht. Dient der Alkohol dazu, die Depression zu vertuschen, wird er parallel dazu auch Antidepressiva einsetzen.
    Eure Hilfe brauch ich nicht
    Nicht genug damit, dass Depressionen bei Männern aufgrund der unterschiedlichen Anzeichen häufig übersehen werden. Zusätzlich sind Männer echte Gesundheitsmuffel – und bringen lieber ihr Auto zum TÜV , als sich vom Doktor durchchecken zu lassen. Selbst bei offensichtlichen Beschwerden zögern sie den Gang zum Arzt hinaus. Selbst wenn es ihnen psychisch richtig schlecht geht oder sie Suizidgedanken quälen, »therapieren« sich Männer lieber im Selbstversuch mit Alkohol, sozialer Isolation oder Extremsport. Um Hilfe zu bitten und Hilfe anzunehmen, kommt für die meisten Männer eben nicht in Frage. Das Eingeständnis von Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit käme dem Verlust der männlichen Identität gleich. So geht noch nicht einmal jeder zweite depressive Mann überhaupt zum Arzt.
    »Vor zwei Jahren ging es mir überhaupt nicht gut, meine Gedanken kreisten ständig um die Arbeit. Man hatte mich degradiert – nach 20 Jahren war ich plötzlich einem grobschlächtigen Klotz unterstellt, der überhaupt keinen Sinn für die Feinheiten hatte, auf die es bei uns im Filmgeschäft ankommt. Jeden Tag fragte ich mich aufs Neue, welchen Sinn das noch alles machte. Ich schleppte mich zwar zum Job, aber wirklich anwesend war ich nicht mehr. Stundenlang starrte ich auf den Bildschirm, ohne auch nur eine Taste zu drücken. Die Wochenenden verdämmerte ich, lag im Bett und quälte mich mit endlosen Gedanken. Ich fühlte mich wertlos, ausgenutzt, aufs Abstellgleis gerückt. Aber deshalb zum Arzt gehen – niemals. Ich redete mir ein, mich nicht so anzustellen. Das würde schon wieder werden. Ich müsste mir nur genug Mühe geben. Es passte nicht in mein Bild von Männlichkeit, wenn ich wegen solcher »Problemchen« zum Arzt gerannt wäre. Doch meine Problemchen wurden irgendwann zu Problemen: Ich nahm fast 20
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