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Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi

Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi

Titel: Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Eva Ehley
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Dabei ist er ohnehin schon spät dran. In der Redaktion des Sylt-Kuriers erwartet man morgen Mittag einen detaillierten Bericht von dem abendlichen Top-Event der Insel. Fred Hübner bedenkt sein Rennrad mit einem wütenden Blick und einem heftigen Tritt gegen den platten Reifen. In der Galerie Specht werden sie wohl kaum auf ihn warten. Seit seinem letzten Rückfall in den Alkoholismus und dem mehrmonatigen Aufenthalt in einer Entzugsklinik wartet ohnehin kaum noch jemand auf den Journalisten. Das öffentliche Interesse an seiner Person ist ziemlich erlahmt, und prompt sind auch die lukrativen Aufträge ausgeblieben. Da die teure Eigentumswohnung am Wenningstedter Dorfteich längst noch nicht abbezahlt ist, hat sich Hübner vor zwei Monaten schweren Herzens entschlossen, als fester freier Mitarbeiter beim Sylt-Kurier anzuheuern. So wird das immer schneller schrumpfende Ersparte wenigstens ab und an mal durch zusätzliche Einnahmen ergänzt.
    Allerdings hasst Fred Hübner seinen neuen Job. Obwohl seine tägliche Kolumne den prunkvollen Titel »Fred Hübner exklusiv« trägt, berichtet er meistens von so wenig glamourösen Ereignissen wie Feuerwehrfesten und Schuljubiläen, von Reisebüro-Eröffnungen und Hafenevents. Und nur allzu selten von den Veranstaltungen der Schönen und Reichen, zu denen er im letzten Jahr noch als gern gesehener und allseits hofierter Gast geladen war. Seitdem die Einladungen ausgeblieben sind und Fred den neuen Job angetreten hat, muss er sich das peinliche »Presse«-Schild ans Jackett heften und kann sich freuen, wenn die interessanten Leute ihn überhaupt wahrnehmen und sich herablassen, auf seine dämlichen Fragen zu antworten.
    Umso ärgerlicher ist es, dass er ausgerechnet heute zu spät kommen wird. Denn die ganze Insel spricht seit Wochen über den spektakulären Absturz der Privatmaschine des Malers Artur Faust über dem Sylter Watt. Der tödliche Unfall und das skandalträchtige Leben des Malers waren auch in Freds Kolumne schon mehrfach Thema. Trotzdem war es gar nicht so einfach, eine der begehrten Pressekarten für die Vernissage zu ergattern.
    Entschlossen greift Hübner nach einem alten und sehr staubigen Fahrrad, das unangeschlossen in einer dunklen Ecke des Kellers lehnt.
    Der Radweg von Wenningstedt nach Kampen beginnt fast vor Fred Hübners Haustür, und es dauert tatsächlich nur rekordverdächtige sechs Minuten, bis der Journalist am Kampener Dorfkrug vom Fahrrad springt. Achtlos lehnt er es gegen einen Friesenwall und schlendert betont lässig zur Galerie Specht hinüber, die etwa fünfzig Meter entfernt in der Seitenstraße liegt, die zum Dorfpark führt. Schon von weitem kann Fred Hübner die Stimme des Galeristen hören, der gerade die Vorstellung der vier Herren beendet, deren Faust-Originale heute Abend zum ersten Mal öffentlich gezeigt werden.
    Zwei Schritte hinter dem Galeristen steht eine hochgewachsene Blonde in einem schmal geschnittenen schwarzen Kleid und reicht ihm ab und an eine knallgelbe Karteikarte, von der dieser dann den nächsten Teil seiner Rede abliest. Mit ausdruckslosem Gesicht nimmt die Blonde anschließend die nicht mehr benötigte Karteikarte zurück und steckt sie hinter den Stapel, wobei jede ihrer Bewegungen von den Glubschaugen eines Fetten im Smoking verfolgt wird. Die ist eindeutig zu schön für dich, denkt Fred Hübner gerade und überlegt, ob er selbst wohl Chancen hätte, als er sieht, wie die Blonde dem Smokingmann einen zwinkernden Blick zuwirft.
    Frauen! Empört wendet Fred sich ab.

Samstag, 4. August, 22.36 Uhr,
Galerie Specht, Kampen
    »Puh! Die Assistentin eines Galeristen zu sein, ist anstrengender, als ich erwartet hätte.« Judith Lissen wirft die langen blonden Haare in den Nacken, streicht ihr schwarzes Cocktailkleid glatt und fischt sich ein Glas Champagner vom Tablett eines Kellners. »Umso mehr freue ich mich, dass du solange geblieben bist. Jetzt habe ich endlich Zeit für dich.« Sie hebt ihr Glas der Freundin entgegen und blendet ganz bewusst das übermütige Treiben auf dem Kiesplatz vor der Galerie aus.
    Kriminalkommissarin Silja Blanck lächelt und greift ebenfalls nach einem frischen Champagnerkelch. »Du, kein Problem. Ich fand es ganz unterhaltsam, einfach mal zum Spaß Leute zu beobachten, ohne ihnen gleich Mordabsichten unterstellen zu müssen.« Sie lässt den Blick über die dicht an dicht stehenden Vernissagebesucher schweifen, deren Unterhaltungen und Gelächter sicher bis ans Ende der Straße zu
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