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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose
Autoren: Brigitte Augusti
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Ihre Wirtschaft neu einzurichten, sie begehren keinen Dank dafür. Nun zieht mit Gott, lieben Leute, dient ihm treu und rechtschaffen, das ist der beste Dank.«
    Herr Klingemann ließ einen Wagen anspannen, die beglückte Familie lud ihre Schätze auf und nahm einen zärtlichen Abschied. Ich sah ihnen mit bewegtem Herzen nach; zum erstenmal ist es mir vergönnt gewesen, an einem guten Werke mitzuwirken, Not und Sorge lindern zu helfen. Was ich selbst dabei gethan habe, ist ja nur wenig, aber ich durfte doch mit Hand anlegen zum fröhlichen Gelingen und empfinde eine tiefe, dankbare Freude darüber. Nie will ich gefühllos an fremder Not vorübergehen, nie vergessen, wie selig es ist, wohlzuthun und mitzuteilen.
    Neuntes Kapitel

Was daraus wurde
    Den 30. Juli,
    Tage vergehen in stillem Abschiednehmen von allem, was mir hier lieb und teuer geworden ist; ich möchte jede schöne Stelle zeichnen, um wenigstens ein schwaches Abbild davon mitzunehmen. Gestern vormittag erhielt ich einen Brief vom Papa, der mir schreibt, er käme am 31., um mich abzuholen, ich möchte für einige Stunden die Gastfreundschaft des Hauses für ihn erbitten, abends führen wir weiter, um Mama entgegenzureisen. Eine reizende Aussicht! – Ich eilte mit dieser Botschaft zu Frau Klingemann, sie nahm die Anmeldung sehr freundlich auf und sagte dann in herzlich warmem Ton:
    »So bald also wollen Sie uns verlassen, mein liebes Kind? Wir werden Sie alle sehr vermissen.«
    Ich küßte ihr die lieben Hände und sagte ihr, wie dankbar ich ihre Güte empfände und welchen Segen ich aus ihrem Hause davontrüge; ich wäre hier in der Schule des wirklichen Lebens gewesen, während ich bisher nur in der Welt meiner eigenen Gedanken und Träume heimischwar. Ich kann sonst nicht leicht über das sprechen, was mein Inneres erfüllt; aber diesmal floß mir das Herz über, und ich sagte ihr rückhaltlos alles, was ich unzähligemale in diesen Wochen empfunden hatte. Sie verstand mich vollkommen, küßte mich herzlich und sprach so mütterlich liebevoll zu mir, daß ich's nie vergessen werde; sie dankte mir auch für meine Freundlichkeit gegen Bruno, die mir zuerst ihr Herz gewonnen habe. Es war eine schöne Abschiedsstunde.
    Als die Kinder zum zweiten Frühstück kamen, sagte ich ihnen, daß ich nun bald fortführe; sie erhoben einen wahren Klagegesang, nur Max erklärte ganz trotzig, er ließe mich nicht eher fort, als bis die Geschichte zu Ende sei. Die Mädchen schmiegten sich an mich und machten betrübte Gesichter; darüber trat Rose ein, die in der Küche beschäftigt gewesen war.
    »Was ist geschehen, Kinder?« fragte sie, »ihr seht ja alle zusammen aus, als ob euch die Petersilie verhagelt sei.«
    »Erna will übermorgen fort«, riefen sie.
    »Schon übermorgen?« sagte Rose langsam und schien ordentlich starr vor Überraschung, »da hat sie's ja entsetzlich eilig! und natürlich freut sie sich noch darüber.«
    »Ich freue mich, meine Eltern wiederzusehen, aber der Abschied von hier wird mir sehr schwer.« Sie fiel mir um den Hals und lief ohne ein weiteres Wort zur Thür hinaus.
    Beim Vespern fragte Herr v. Rothenburg, ob die Damen vielleicht eine Spazierfahrt wünschten, er könne sein Reitpferd in die kleine Droschke spannen. Ich hatte großeLust, einige Punkte zu besuchen, die zu Fuß schwer zu erreichen sind; Rose war auch nicht abgeneigt, und Tante Emma war freundlich bereit, ihre Begleitung zuzusagen, ohne die wir doch nicht fahren konnten. Die beiden saßen hinten, ich neben Rothenburg, der selbst kutschierte. Es war eine schöne Fahrt; ich rief all meinen Lieblingsplätzen ein Lebewohl zu und prägte die lieblichen Aussichten noch einmal tief in meine Erinnerung ein. Rothenburg war die Liebenswürdigkeit selbst und aufs freundlichste bemüht, mich überall hinzufahren, wohin ich es wünschte. Das war auch eine Abschiedsstunde!
    Heute habe ich meine Sachen gepackt und alles zur Abreise gerüstet – mir ist sehr abschieds-wehmütig zu Mut. Lebewohl, du liebes Haus, wo Tüchtigkeit und Güte wohnen, wo jeder mit ganzem Herzen seine Pflicht thut, Gott fürchtet und seinen Nächsten liebt. Hier habe ich erkannt, daß in dem einseitig geistigen Streben ein starker Egoismus verborgen liegt und daß ein Mädchen noch andere dringende Pflichten hat, als seinen Geist zu bilden, wenn es seinen Platz im Leben mit Ehren ausfüllen will. Ich habe den festen Entschluß gefaßt, nicht eher meine Feder zu einer schriftstellerischen Arbeit – sonst, das
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