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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose
Autoren: Brigitte Augusti
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unaussprechlich süß wird es sein, Dich wieder zu haben; mich überfällt oft eine heiße Sehnsucht danach, besonders an ruhigen Tagen, wo nichts Besonderes Herz und Gedanken in Anspruch nimmt. Hat unsere kleine Engels-Nora mich auch nicht vergessen? Papa versprach mir, mich von hier abzuholen; welch eine Freude wird es sein, ihn wiederzusehen, welch ein Glück, wenn wir alle wieder daheim beisammen sein werden!
    Heute nach dem ersten Frühstück wanderte ich mit meinem Zeichenbuch hinaus; es war mir lieb, daß niemand mit mir kam, denn nach der bewegten Zeit, die wir verlebt, fühlte ich ein Bedürfnis nach Stille und Einsamkeit. Der schattige Pfad lockte mich weiter und weiter, bis ich an seinem Ende ankam, wo der Hügel steil nach einer tiefen Schlucht abfällt, auf deren Grunde ein reißender Bach dahinbraust, während gegenüber der Berg, den oben dichtes Gesträuch krönt, eben so steil in die Höhe steigt. Es ist einromantischer Punkt, den ich besonders liebe; ich setzte mich am Fuß einer Birke nieder und versuchte die Aussicht zu zeichnen, was mir einige Schwierigkeiten bereitete. Als ich einmal aufsah, belebte eine hübsche Staffage die andere Seite; Herr v. Rothenburg, die Flinte über der Schulter, den großen Hühnerhund neben sich, erschien auf dem Kamme des Berges und grüßte mit geschwenktem Hut herüber. Dann sprang er mit elastischen Sätzen die steile Wand herunter und kletterte auf meiner Seite in die Höhe. Ich sah ihm mit Spannung zu und war froh, als er glücklich oben ankam.
    »Das war ein tollkühnes Wagnis, Herr v. Rothenburg«, sagte ich, »warum gingen Sie nicht bis an das Ende der Schlucht, wo man ganz bequem herüber kann?«
    »Weil ich fürchtete, die holde Nymphe dieser einsamen Stätte möchte inzwischen entflohen sein, und weil ich gern einen Augenblick mit ihr sprechen wollte.«
    »Das könnten Sie im Hause leichter haben – freilich fehlt da der nymphenhafte Nimbus.«
    Er setzte sich in meiner Nähe auf das Gras,
    »Wollen Sie mir erlauben, Fräulein Erna, Ihnen einen Beitrag zu Ihrer Sammlung einzuhändigen, oder sind die Listen schon geschlossen?«
    »Keineswegs, der Wohlthätigkeit werden keine Schranken gesetzt.«
    »Ihr Appell an die Opferfreudigkeit der Zuschauer hat auch mein hartes Herz gerührt – ich möchte Ihre Verse gern zum Andenken besitzen.«»Wenn Ihr Herz weich geworden ist, haben sie ihren Zweck ja schon erfüllt, und es bedarf dieser Erinnerung nicht mehr.«
    »Soll ich sie erkaufen? oder wollen Sie sie mir freiwillig geben?«
    Ich zauderte, die rechte Antwort war nicht leicht zu finden.
    »Ihre Gabe hat nur rechten Wert, wenn sie von Herzen gegeben wird; schmälern Sie ihr denselben doch nicht durch Bedingungen.«
    Er zog ein Päckchen, das in weißes Papier gewickelt war, aus der Tasche und reichte es mir, es wog schwer in meiner Hand.
    »O, Herr v. Rothenburg«, rief ich ganz entzückt, »haben Sie tausend Dank! Dies reiche Geschenk giebt uns weit mehr, als wir noch bedürfen. Wie wird sich Rose freuen – und Frau Neßler – es ist prächtig!« Ich reichte ihm in meiner Herzensfreude beide Hände, die er an seine Lippen zog. »Nun sollen Sie auch die Verse haben, ganz freiwillig, ich will sie Ihnen aufs schönste aufschreiben.«
    Er nahm seine Brieftasche heraus und reichte sie mir.
    »Wollen Sie sie hier hineinschreiben? dann sind sie mir eine bleibende Erinnerung an diese Stunde.«
    Ich konnte doch nicht anders, als seinen Wunsch erfüllen, nicht wahr, Mama? Als ich ihm die Brieftasche zurückgab, küßte er mir wieder die Hand.
    »Darf ich einen Blick auf Ihre Zeichnung werfen?« frug er, »ich bin auch ein wenig bewandert in diesen Künsten.«Ich sagte ihm, welche Schwierigkeiten ich gefunden habe; er nahm den Bleistift und hatte mit einigen Strichen dem Dinge ein ganz anderes Ansehen gegeben.
    »Darf ich auch ein Erinnerungszeichen hinzufügen?«
    Ich nickte, und er zeichnete mit sicherer Hand einige kleine Figuren hinein, die ihn selbst mit seinem Hunde darstellten.
    »Wenn Sie später einmal dies Blättchen ansehen, so werden Sie hoffentlich auch einen flüchtigen Gedanken für den Jäger haben,« meinte er. »Ich fürchte, Sie werden uns in kurzem verlassen, Fräulein Erna?«
    »Ich hoffe, mein Vater kommt in den ersten Tagen des August, um mich abzuholen.«
    »Ihr Scheiden wird ein Verlust für dieses Haus sein, den jedes Glied schmerzlich fühlen wird.«
    »Doch nur für wenige Tage, dann schließt sich die unbedeutende Lücke, als wäre sie
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