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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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Vater früher ausnahmsweise mal eine halbe Sekunde zu spät auf sein Stichwort reagierte. Und nun passierte es bei jedem Satz. »Gut, dass es nur eine kleine Rolle ist«, tröstete sich Sven immer, wenn er das Stück sah.
    Als Henning und Ove nach der Premiere gemeinsam den Heimweg antraten, sagte Ove ganz gefasst: »Als ich mit dem Bus in die Stadt fuhr und hier ankam, konnte ich die ganze Rolle auswendig. Jedes Wort. Und als ich dann in die Wärme der Scheinwerfer kam, machte es ›peng‹, und alles war weg.« Nach außen nahm er es ganz ruhig und beklagte sich nicht.
    Aber ein Jahr darauf wollt er sich noch einmal in einer winzigen Rolle als Operndirektor in »Amadeus« versuchen. Erste PR -Fotos in den Zeitungen und Boulevardzeitschriften zeigten ihn in voller Aufmachung mit Rokokokostüm und Korkenzieherperücke. Doch kurz vor der Premiere ging wieder alles schief. Die Zeitungen meldeten, dass Ove Sprogøe mit einer »Schwindelgefühls-Grippe« im Bett liege und bald wieder zurück sei. Nach einer Woche im Krankenbett sagte er jedoch definitiv ab. Ein Virus im Gleichgewichtsnerv hatte ihn stark beeinträchtigt, und obwohl er schnell geheilt war, wollte er nicht mehr.
    »Er hatte den Punkt erreicht, an dem er nicht mehr konnte. Er war einfach müde geworden«, erzählt der Intendant des Folketeatret Preben Harris. »Ove kam in mein Büro und sagte: ›Schluss, Aus, Ende, Preben! Das geht nicht mehr, das kann ich dem Publikum nicht zumuten. Du musst mich freigeben. Du kannst mich nicht auch noch dafür bezahlen!‹ Er hatte einen ganzen Monat darüber nachgedacht, deshalb war er jetzt ganz abgeklärt.«
    Seinen Rückzug vom Theater erklärte Ove Sprogøe auch öffentlich in der Presse: »Mich plagt Gicht in den Knien. Der Körper will nicht mehr, was ich will. Und das Gedächtnis auch nicht. Dass ich Schwierigkeiten habe, den Text zu behalten, habe ich als Wink verstanden. Deshalb nehme ich vorläufig nur Einladungen zu Vereinen an, wo ich aus Hans Scherfigs Romanen lese. Jetzt habe ich mehr Freizeit, und das genieße ich.«
    Ghita Nørby ist heute selbst 75 und tief beeindruckt, wie sich Ove Sprogøe selbst pensionierte. Sie hofft, dass sie einmal den Mut haben wird, dasselbe zu tun: »Ove machte als Kollege und Schauspieler etwas ganz Einmaliges. Er sagte: ›Ich kann mir nichts mehr merken, und deshalb gehe ich jetzt nach Hause und mache niemandem mehr auf, weder Journalisten noch Theater oder Film.‹ Davon träume ich auch, solch eine Selbsterkenntnis zu besitzen. So eine Klugheit. So eine Konsequenz. Ich war sehr beeindruckt, dass er sich bei lebendigem Leib von uns verabschiedete.«
    Das hieß natürlich nicht, dass Ghita Nørby und die anderen engen Freunde ihn nicht mehr sahen. Aber es war immer besser, wenn sie unangemeldet kamen, sonst wurde Ove Sprogøe nervös: »In seinen letzten Lebensjahren wollte er lieber überrascht werden, und das hab ich dann auch so gehalten. Wenn ich von einer Reise zurück auf dem Flughafen ankam, fuhr ich oft noch schnell um die Ecke zu ihm. Darüber freute er sich sehr.«
    Die Rentnertage in Tømmerup verliefen still und ruhig. Noch immer hatten Eva und Ove keinen Fernseher. Ove las Eva laut vor, Eva legte große Puzzlespiele und beschäftigte sich mit ihrem neuen Computer. Sie verschickte E-Mails an Familienmitglieder und bezahlte Rechnungen. Ove konnte die Maschine nicht leiden, sie nahm ihm Eva weg. Wenn sie den Computer einschaltete, schüttelte er resigniert den Kopf. Ihm ging es am besten, wenn Eva in seiner unmittelbaren Nähe war.
    Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn die beiden zu einer Filmpremiere gingen, waren sie unzertrennlich und standen dicht beieinander. So hielt Eva Ove aufrecht, denn mit seinen kaputten Knien sackte er immer ein wenig zusammen. Fiel ihm von den Partyhäppchen etwas auf den Jackenkragen, wischte sie es sofort mit einer Serviette weg.
    Sven erinnert sich, dass sein Vater seiner Mutter viele dicke Bücher vorlas: »Zum Beispiel ›A suitable Boy‹ von Vikram Seth, das an die 1400 Seiten hat. Wie üblich hatte er den Inhalt vergessen, wenn er fertig war, aber Eva konnte die Geschichte ganz anschaulich erzählen. Einmal war ich mit meiner Exfrau ein ganzes Jahr auf Weltreise, und da schickten mir Ove und Eva jede Woche einen langen Brief, in dem sie schrieben, was sie so taten und machten. Das klang alles nach ganz gemütlichem Rentnerdasein. Sie tranken auch viel Rotwein. Der half meinem Vater durch den Tag, der war gut für seine
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