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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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Familie konnte nachkommen. Den Umzug bewerkstelligte die Mutter allein mit den drei Kindern. Bald konnte den Verwandten ihr Geld zurückgezahlt werden, und ein neues Leben begann.
    Einen Teil seines Herzens ließ Ove Sprogøe in Odense zurück. Obwohl er für den Rest seines Lebens in Kopenhagen wohnte, blieb er mit seiner Heimatstadt, mit Hans Christian Andersen, mit den kleinen, beschaulichen Gassen und den Geschichten in den ge­heimen Winkeln seiner Kindheit nostalgisch verbunden. »Höre ich jemanden sagen, Odense ist eine todlangweilige Stadt, werde ich wütend. Denn das ist meine Stadt, und die ist für mich immer noch der Nabel der Welt. Sie hatte so wunderbare Gerüche, Geräusche und Farben. Ich liebe diese Stadt wirklich«, gestand er einmal.
    Er ließ auch seinen Schatz in Odense zurück – das erste Mädchen, das er küsste. Sie hieß Alice, hatte langes, blondes Haar und war acht, als sie sich an einem Wintertag auf der Wiese neben der Östergade trafen. Im Winter lud die Gemeinde dort den ganzen Schnee der Straßen in großen Haufen ab und schuf damit eine abenteuerliche Bergwelt. Alice wollte mit den Jungen spielen, wovon die nicht begeistert waren. Deshalb ließen sie das Mädchen einfach links liegen. Plötzlich fiel sie hin und verletzte sich am Knie, so dass Blut herausspritzte. Die Jungen eilten herbei. Ove wollte sich gerade verdrücken, weil er dachte, dass das Mädchen schreien und weinen würde. Aber sie erhob sich, bürstete den Dreck von ihrer Kleidung und war bereit zum Weiterspielen. In diesem Moment verlor Ove sein Herz an Alice. Sie war doch ein ganzer Kerl! Ove begleitete Alice nach Hause und konnte sie nie vergessen.
    »Wenn jemand von der ersten Liebe spricht, taucht immer Alice in meiner Erinnerung auf. Als ich ihr begegnete, machte irgendetwas klick in mir, eine neue Welt öffnete sich mir. Für mich besteht gar kein Zweifel, dass das meine erste Begegnung mit diesem Merkwürdigen und Märchenhaften war, für das wir als Kinder keinen Namen haben, aber als Erwachsene Liebe nennen.«
    Wenn er nach seinem Umzug nach Kopenhagen auf Familien­besuch in Odense weilte, zog es ihn raus auf die Wiese, um nachzusehen, ob Alice da war. Er fragte die anderen Kinder nach ihr, aber ohne Erfolg. Eines Tages nahm er all seinen Mut zusammen und ging zu dem Haus, in dem sie wohnte. Sie war umgezogen, doch er brachte ihre neue Adresse in Erfahrung und ging energisch weiter. Als er klingelte, bebte er vor Erwartung.
    Die Enttäuschung war groß. Alice konnte sich nicht mehr an Ove oder den Kuss erinnern.
    Die Wohnung, die Oves Vater in Kopenhagen gefunden hatte, lag im Pragtstjernevej im Nordwesten der Stadt, ziemlich weit vom Zentrum. Ove kam von der vierten bis zur siebenten Klasse auf die Bispebjerg-Schule, einen halben Kilometer entfernt. Er blieb dort auch, als der Vater nach einem Jahr eine billigere und bessere Wohnung in der Jernbane Allé im Stadtteil Vanløse fand, denn häufige Schulwechsel hielten die Eltern für ungesund. Sie verordneten ihm stattdessen täglich fünf gesunde Kilometer zu Fuß oder auf dem Rad von Vanløse zur Bispebjerg-Schule.
    Am ersten Tag in der Bispebjerg-Schule begrüßte der Klassenlehrer H. Scherling Jensen den neuen Schüler: »Wir wissen nicht, wozu du taugst, deshalb setzen wir dich in die Mitte der Klasse. Dann werden wir sehen, zu welcher Seite du ausschlägst.«
    Ove war ehrgeizig: »Ich wollte der Klassenbeste sein und hatte es auch bald geschafft. Aber irgendwann ermüdete es mich, die ganze Zeit kämpfen zu müssen, nur um den Platz zu halten. Der, der Nummer zwei war, wollte unbedingt den ersten Platz. Es war ein Wettlauf, aber eigentlich haben mich Zensuren nie interessiert.«
    Die Kopenhagener Jungen konnten hören, dass der singende fünische Dialekt von Ove anders als ihre eigene Sprache klang, und hänselten ihn damit. Doch Ove entdeckte seine Talente, machte sich zum Klassenclown und brachte die anderen zum Lachen. Noch Jahre später erinnerte sich der Klassenlehrer genau an seinen Schüler: »Ove war ein kleiner, emsiger Bursche am dritten Pult in der mittleren Reihe. Ich mochte ihn sofort. Ove besaß alles, was nötig war. Er war tüchtig, ohne ein Streber zu sein, war lustig, ohne vulgär zu sein, und verstand es, mit jedermann und nicht nur einem gut Freund zu sein. Alle Cliquenwirtschaft war ihm zuwider.«
    Oves Talent zum Schauspiel meinte der Klassenlehrer schon Anfang der dreißiger Jahre entdeckt zu haben. Laut Ove war der Lehrer
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