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macht weiter

macht weiter

Titel: macht weiter
Autoren: Dorothy Gilman
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Aufenthaltsräume, die um diese Jahreszeit jedoch, abgesehen von den stattlichen Gummibäumen, leer standen. Im Erdgeschoß gab es zwei Aufenthalts-und zwei Fernsehräume. Die Speiseräume lagen am Ende des Flurs. Mrs. Pollifax sah hinter den Gla stüren bereits die Kellner hantieren. Sie entdeckte einen Raum, der die Bibliothek enthielt. Auch hier gab es wieder schwere dunkle Möbel und Eichenholztäfelung.
    In einem Sessel saß ein gutaussehender, braungebrannter junger Mann, der die Bügelfalten seine r Hose überprüfte. Als er Mrs. Pollifax kommen sah, sagte er: »Bonjour, Madame. Aber damit sind meine Französischkenntnisse auch schon erschöpft.«
    »Genau wie bei mir«, gestand sie und ergriff die Gelegenheit, den ersten erwachsenen Gast kennenzulernen. Sie sank in einen tiefen, viel zu weich gepolsterten Sessel, aus dem das Aufstehen bestimmt nicht leicht sein würde. »Warten Sie auch aufs Mittagessen?«
    »Ich warte, daß sich irgend etwas ereignet«, antwortete er gelangweilt. »Seit acht Tagen bin ich hier, und jetzt bliebe mir vor Aufregung schon das Herz stehen, wenn ein Löffel zu Boden fiele.«
    Mrs. Pollifax betrachtete ihn belustigt. Er wäre beinahe unerträglich schön gewesen, bis auf die Nase - doch die schien er einmal gebrochen zu haben, denn sie sah noch immer ein bißchen mitgenommen aus. Mrs. Pollifax hatte nichts gegen diese Unregelmäßigkeit. Durch sie kam ein Zug von Humor in das Gesicht, das sonst nichts als tiefbraune Haut, träge Augen, weiße Zähne und blondes Haar zu bieten hatte. »Sie scheinen an ein rasanteres Tempo gewöhnt zu sein«, sagte sie.
    »Sie starren meine violette Hose und das rote Hemd an«, sagte er vorwurfsvoll. »Ich dachte, das heißt, ich war sogar ziemlich überzeugt, hier eine Atmosphäre vorzufinden wie in einem Kasino. Schließlich trifft man hier die gleichen Leute wie dort, bloß, daß sie hier ihr Leberleiden auskurieren wollen. Wie hätte ich ahnen sollen, daß sie es mit diesem tierischen Ernst tun?«
    »Aber wenn Sie sich so langweilen und Ihnen niemand die Freude macht, einen Löffel fallen zu lassen, und bei Ihrem gesunden Aussehen - warum bleiben Sie dann eigentlich?«
    »Auf den Rat meines Arztes.« Er zögerte und ergänzte dann: »Ich erhole mich hier von der Hongkonggrippe. Und Sie?«
    Auch Mrs. Pollifax zögerte. Dann sagte sie leichthin: »Genau wie ich.«
Eigentlich wäre das jetzt ein Grund zum Lachen gewesen, aber statt dessen entstand eine Verlegenheitspause. Warum nur, dachte sie, und bemühte sich, das Gespräch fortzusetzen. »Es soll diesmal ja ein besonders hartnäckiger Virus gewesen sein«, sagte sie auf gut Glück.
»Ja...«, bestätigte er und wollte nun seinerseits zu sprechen beginnen, doch da wurde die Tür zum Speisesaal aufgestoßen. »Mittagessen!« rief er und sprang auf. Höflich half er ihr aus dem Sessel. »Seien Sie vorsichtig bei diesem Zeug«, warnte er. »In diesen verdammten Schlafmöbeln kann man spurlos verschwinden. Versuchen Sie das nächstemal lieber die Sitzbank.«
»Ich will mir's merken«, sagte sie dankbar. »Übrigens, ich bin Mrs. Pollifax.«
Er verneigte sich galant. »Sehr angenehm. Und ich... Bonjour, mon General«, rief er einem alten Herrn zu, der sich, mühsam auf einen Stock gestützt, in Richtung Speisesaal bewegte. »Kann ich Ihnen behilflich sein?« Und schon schoß er davon, wie ein olympischer Läufer, ohne sich Mrs. Pollifax vorgestellt zu haben.
Im Speisesaal wurde Mrs. Pollifax an den für Zimmer 113 reservierten Tisch geführt. Da es ein Ecktisch war, konnte sie die Gäste von hier aus gut beobachten. Sie sah aber nicht, wer in den beiden angrenzenden Räumen saß. Der General wurde an einen Einzeltisch geführt. Ihm folgte ihr braungebrannter junger Freund, der einen Tisch für sich hatte. Kurz darauf brachte die bleiche Frau in Schwarz einen verschüchterten Hafez herein. Mrs. Pollifax sah die beiden an einem Tisch Platz nehmen, der für sechs Personen gedeckt war. Hafez hatte von einer Großmutter gesprochen, aber seine Begleiterin war dafür nicht alt genug. Außerdem sah sie eher wie eine Erzieherin aus.
Marcel war nicht zu sehen. Aber jetzt erschien noch ein Gast, den sie bereits kannte: der Mann im Rollstuhl. Er schob sich an einen Einzeltisch mit Blick zum Fenster, so daß sie nur sein Profil sehen konnte. Es sah nicht sonderlich gewinnend aus. Seine Hautfarbe war dunkel, aber so bleich, daß sie eher ungesund grau wirkte. Ein schmaler schwarzer Schnurrbart zierte seine Lippe,
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