Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
macht weiter

macht weiter

Titel: macht weiter
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
ins Zimmer und rief: »Herein.«
Ein Kellner erschien mit einem Tablett. Schwungvoll stellte er es auf dem Teewagen nieder. »Wünschen Madame das Frühstück hier oder auf dem Balkon?«
»Wenn ich auf dem Balkon frühstücke, schlafe ich ein«, antwortete sie. Jetzt musterten sie sich gegenseitig. Es war ein kleiner, untersetzter junger Mann mit dunklem Teint und blauen Augen. Das schwarze Haar trug er in der Mitte gescheitelt wie ein Kellner der Viktorianischen Zeit. Auf Bishops Foto hatte er sehr ernst ausgesehen. Das tat er auch jetzt, aber es war die grimmige Miene eines Komödianten, der mit todernstem Gesicht seine Späße reißt.
»Ich sitze hier«, entschied sie.
»Darf ich Kaffee eingießen, Madame?« Ehe sie ablehnen konnte, beugte er sich ein wenig vor und flüsterte ihr zu: »Unter den Gästen ist ein besonders verdächtiges Subjekt, Madame, ein gewisser Robin Burke-Jones, ab drei Uhr nachmittags meist im Garten anzutreffen. Er interessiert uns sehr. Keine seiner Referenzen stimmt, und er ist hier unter falschem Namen abgestiegen.«
»Vielen Dank«, sagte Mrs. Pollifax und nickte ihm lächelnd zu. »Ich glaube, ich habe jetzt alles, was ich brauche.«
»Mon Dieu, hoffen wir es!« sagte er und spielte wieder den Komiker. »Die Karte finden Sie auf dem Tisch, falls Sie besondere Wünsche haben sollten: Jambon au lard, œuf plat, œufs brouillés sur toaste.. .« Aus seinen Augen sprach der Schelm. »Mein Name ist Marcel, Madame. Bon appétit!« Damit verneigte er sich und ging.
Mein Verbündeter, dachte sie. Sie war ihm dankbar, daß er ihr eine Beschäftigung gegeben hatte, denn nach der schlaflosen Nacht fühlte sie sich erschöpft und aus dem Rhythmus geworfen. Außerdem fiel ihr erst jetzt auf, daß sie sehr hungrig war. Genießerisch strich sie Marmelade auf die Hörnchen. »Heute abend will ich die ersten Erkundungen mit dem Geigerzähler anstellen«, beschloß sie. Ihr Blick blieb am Bett und den einladenden Kissen hängen. Sie fand, daß sie ein kurzes Schläfchen verdient hatte.
Sie ging zum Bett. Dabei bemerkte sie, daß Marcel die Tür offengelassen hatte und daß der Spalt langsam größer wurde. »Wer ist da?« rief sie. Da sie keine Antwort erhielt, ging sie zur Tür.
»Bonjour, Madame«, sagte der Junge, den sie am Eingang gesehen hatte. Jetzt sah er mit den mutlos herunterhängenden Armen noch kleiner und verlassener aus. Er hatte große dunkle Augen. »Möchten Sie meine Freundin sein, Madame?«
Das kam spontan. »Bist du denn zur Kur hier?« fragte sie. Er hatte eine braune Hautfarbe, war sehr mager und schien nur aus zwei viel zu langen Beinen zu bestehen. Sein Haar war pechschwarz. In dem feinen Gesicht wirkten die Augen besonders groß. Sie hatte ihn für den Sohn des Gärtners gehalten.
Er schüttelte den Kopf. »Großmutter ist Patientin, und ich bin zu ihrer Gesellschaft hier. Haben Sie Enkelkinder, Madame?«
»Ja, drei.«
Jemand rief: »Hafez? Hafez?«
Seufzend drehte er sich um: »Hier bin ich, Serafina.«
Eine bleiche, schwarzgekleidete Frau erschien im Türrahmen, nahm ihn bei der Hand, beugte sich über ihn und tadelte ihn in einer Sprache, die Mrs. Pollifax fremd war.
Hafez schob die Unterlippe vor. »Aber sie ist meine Freundin
- man muß doch Freunde haben!« rief er. Die Tränen kamen ihm.
Ohne Mrs. Pollifax eines Blickes zu würdigen, zog die Frau den Jungen fort. Mrs. Pollifax ging hinaus und sah den beiden nach. Ganz am Ende des Korridors saß ein Mann im Rollstuhl und beobachtete den Jungen und die Frau. Als er Mrs. Pollifax sah, schob er sich in das nächstliegende Zimmer. Hafez und die Frau verschwanden im Zimmer gegenüber. Zwei Türen wurden geschlossen. Dann herrschte Stille.
Ein merkwürdiger Junge, dachte Mrs. Pollifax. Besonders der Klang seiner Stimme...
Sie legte sich hin und schlief sofort ein.
    Zweimal wurde sie geweckt; das erstemal von einer jungen Frau in Weiß, die sagte, sie sei die Krankenschwester, würde aber später wiederkommen, und das zweitemal von einer Frau, die sich als Diätschwester vorstellte und ebenfalls später zu kommen versprach. Zuletzt kam noch die Sekretärin, eine schmalbrüstige Person, die sich vor Entschuldigungen überschlug, weil sie Mrs. Pollifax erst jetzt willkommen hieß. Da es inzwischen elf Uhr geworden war, stand Mrs. Pollifax auf und kleidete sich um. Dann ging sie nach unten, um sich im Speisesaal umzusehen. Sie wollte sich überhaupt ein wenig orientieren, ehe die anderen Gäste kamen.
    Es gab viele kleine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher