Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
macht weiter

macht weiter

Titel: macht weiter
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
erkannt hatte, glaubte sie, sich noch viel zu milde ausgedrückt zu haben. Ihrer Meinung nach hatte Hafez nicht nur Angst, er lebte in einem bösen Alptraum.
    »Sie sind neu hier«, stellte Lady Palisbury fest. Sie saß neben Mrs. Pollifax in der Bibliothek und strickte, während sie auf ihren Mann wartete, um gemeinsam mit ihm zum Abendessen zu gehen.
    »Ja, ich bin heute früh angekommen. Mit dem Flugzeug.« »Ein weiter Weg«, murmelte Lady Palisbury und musterte sie über ihre Strickerei hinweg neugierig.
     
    »Ich habe einen Schwiegersohn, der sich in aller Welt auskennt«, erläuterte Mrs. Pollifax lächelnd.
    »Ach, wie schön«, sagte Lady Palisbury angeregt. »Wir haben vier, einer netter als der andere. Sie sind eine wahre Wohltat bei lauter Töchtern.« Sie hatte eine angenehme Art zu plaudern. Dabei sah sie sich immer wieder suchend in der Halle um. »Wenn bloß John käme, bevor die Jodler eintreffen.«
    »Was für Jodler?«
    »Haben Sie den Anschlag in der Halle nicht gesehen? Es ist Freitag, und das Sanatorium sorgt zum Wochenende für Zerstreuung.« Sie sagte dies etwas spöttisch. »Morgen gibt es sicher eine Filmvorführung im Speisesaal, am Sonntag ist Besuchstag, und heute sind es die Jodler aus dem Dorf.«
    »Das finde ich aber nett«, bemerkte Mrs. Pollifax zerstreut. Sie beobachtete Hafez und seine Begleiterin, die eben aus dem Speisesaal kamen.
    »Sie machen sich Gedanken über den Jungen«, sagte Lady Palisbury, die ihrem Blick gefolgt war.
     
    »Er sieht aus, als ob er geweint hätte. Wissen Sie etwas über ihn?«
    Lady Palisbury drehte den Pullover um, an dem sie strickte, und zählte die Maschen, ehe sie antwortete. »Ich weiß nur, daß sie aus Zabya kommen, aber fragen Sie mich nicht, wo das liegt. Diese arabischen Länder bringe ich ständig durcheinander. Öl, glaube ich - ja, es ist eins jener Erdölländer, und es hat einen König. Neulich haben die Zeitungen etwas über diesen König und eine Geburtstagsfeier berichtet, bei der angeblich königlicher Grund ans Volk verschenkt werden soll.«
    Mrs. Pollifax nickte. »Ich kann mich erinnern. Ein sympathischer kleiner Mann, dieser König. Er gibt sich wenigstens Mühe.«
    Inzwischen war die Jodlergruppe eingetroffen. Aber Lady Palisburys Mann wurde bei ihrem stürmischen Einzug einfach mitgerissen und von Leuten umringt. Er war jetzt so verlegen, daß er nicht wußte, wie er sich einen Weg zu seiner Frau bahnen sollte.
    »Verschone mich... das ist ja eine Invasion«, sagte Burke
    Jones, der noch rechtzeitig in die Bibliothek flüchten konnte. »Nur eine harmlose Trachtengruppe«, entgegnete Mrs.
Pollifax. »Ich finde die Leute nett.«
»Wie man's nimmt... Hören Sie, ich fahre ins Dorf. Mein
Wagen steht draußen, wollen Sie mitkommen? Es dauert nicht
lange.« Und beiläufig fügte er hinzu: »Eventuell lade ich auch
Court ein.«
Mrs. Pollifax mußte lachen. »Vielen Dank. Übrigens ist es
schon halb neun, und ich bin müde. Habe schließlich einen
anstrengenden Nachtflug hinter mir... Ich glaube, sie ist im
Speisesaal.«
»Wer?«
»Court natürlich.«
Mit einem kaum unterdrückten Gähnen verabschiedete sie
sich von ihm und ging nach oben.
Sie hatte beim Weggehen beide Zimmertüren geschlossen.
Die äußere war zum Schutz gegen Lärm gepolstert, die Innentür aus Holz. Man konnte sie abschließen. Beide Türen standen jetzt offen. Mrs. Pollifax beschleunigte ihre Schritte.
    An ihrem Schreibtisch saß Hafez. Er war intensiv mit etwas beschäftigt.
     
    »Hafez!« sagte sie streng. »Du kannst doch nicht einfach ins Zimmer anderer Leute laufen, wenn sie nicht da sind.«
    Hastig legte er etwas auf den Tisch zurück. Es klang wie feines Glas. Dann sprang er auf und drehte sich um. »Aber Madame, ich habe auf Sie gewartet. Sie haben mir nicht gesagt, ob Sie meine Freundin sein wollen!«
    »Das wäre ich mit dem größten Vergnügen, aber Freunde haben anzuklopfen, ehe sie ins Zimmer kommen.«
»Aber, Madame, ich habe geklopft«, verteidigte er sich. »Bloß hat sich niemand gemeldet.«
    »Weil ich nicht da war.«
»Aber wo hätte ich denn sonst warten sollen?« sagte er kleinlaut. »Serafina wäre sehr böse gewesen und hätte mich gleich ins Bett gesteckt, wenn sie mich im Flur gefunden hätte.«
»Magst du Serafina gern?«
Der Junge zuckte die Achseln. Serafina schien jedenfalls nicht die Ursache seines Kummers zu sein. »Muß ich ihr sagen, daß ich in Ihrem Zimmer war?«
»Nein, aber das lasse ich dir nur aus Freundschaft durchgehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher