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Macabros 065: Xantilon - Urkontinent aus der Asche

Macabros 065: Xantilon - Urkontinent aus der Asche

Titel: Macabros 065: Xantilon - Urkontinent aus der Asche
Autoren: Dan Shocker
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Wesens. Der
Kleine hüpfte auf beiden Beinen und reckte die nackten Arme in
die Höhe. Seine großen Augen saßen wie Kugeln in dem
lustig wirkenden Gesicht. »Hallo, hallo!…«
    »Hallo, hallo!« machte auch Rani Mahay. »Du
heißt also Whiss?«
    Es schien, als ob der Kleine seinen Retter aufmerksam mustere, um
sich für alle Zeiten dessen Bild einzuprägen.
    Das im Vergleich zu ihm rabengroße Geschöpf ordnete mit
blitzschnellen Bewegungen die seidig schimmernden, zusammengefalteten
Flügel und veränderte vor Ranis Augen sein Aussehen. Das
matte, unansehnliche Grau seiner Haut, das den Körpern der Ursen
und dem alten, verwitterten Gestein im Innern dieser Tempelhöhle
angepaßt war, nahm eine kräftige, helle Farbe an, die
schließlich leicht nachdunkelte.
    Auch die feinen Flügel zwischen seinen Schulterblättern
veränderten sich.
    Sie begannen zu glitzern, als ob sie mit tausend winzigen
Brillanten besetzt wären. Mikroskopisch kleine Perlen reihten
sich aneinander und bildeten ein sinnverwirrendes, leuchtendes
Farbenmuster zwischen den dunkleren, flachen Muskelbändern.
    »Hallo, hallo! – du heißt also
›Whiss…‹«, kam es aus dem Mund des
rabengroßen Etwas, das weder Vogel, noch Mensch, noch
Schildkröte war, aber von jedem etwas an sich hatte.
    »Du kannst sprechen?« sagte Rani Mahay verwundert.
    »Du kannst sprechen…«, erklang es genau im Tonfall
seiner Stimme zurück.
    Das war kein richtiges Sprechen. Das war ein papageienartiges
Reagieren. ›Whiss‹, wie Rani Mahay im stillen das kleine
Geschöpf bezeichnete, weil es der erste, deutlich erkennbare
Laut gewesen war, den er von ihm gehört hatte, nahm wie ein
Tonband alle Geräusche und Worte auf und konnte sie naturgetreu
zurückgeben.
    ›Whiss‹ hüpfte von einem Bein auf das andere,
schlug die kleinen Hände über dem Kopf zusammen und schien
auf diese Weise die Verkrampfung seines Körpers
aufzulockern.
    Er schlug mehrere Male mit den kleinen, durchsichtigen
Flügeln, die in ihrer Farbenpracht jeden noch so schönen
Schmetterling in den Schatten stellten.
    Er hüpfte wie ein Wellensittich, ohne die geringste Scheu zu
zeigen, auf seine Hand. Rani erhob sich.
    »Ich bin Rani«, deutete der Inder auf sich.
    »Ich bin Rani«, deutete ›Whiss‹ auf sich.
    »Nein – du bist Whiss. Ich bin Rani.«
    Mahay schüttelte den Kopf. »Es ist umgekehrt,
Whiss…«
    Wenn dieses Wesen so gelehrig war und von einem Augenblick zum
anderen die schwierigsten Wörter aussprechen konnte, vielleicht
war er noch zu ganz anderen Reaktionen und einem anderen
Lernverhalten fähig?
    Mahay mußte gerade an die Kuppelstadt denken, die die Ursen
durch scharfen Beschuß in Schutt und Asche gelegt hatten, und
es kam ihm so vor, als ob dieses
vogel-schildkröten-menschenartige Wesen in engem Zusammenhang zu
jenem Volk stand, das in der Asche der Kuppelstadt zugrunde gegangen
war.
    Das Schwanken der Tempelhöhle erfolgte plötzlich sehr
intensiv.
    Mahay schien förmlich der Boden unter den Füßen
weggerissen zu werden. Plötzlich blies ein scharfer Wind.
    Wie ein Orkan fuhr er durch sämtliche Ritzen und Spalten und
fegte zwischen den spiralförmig gedrehten Reliefsäulen
durch.
    ›Whiss‹ rannte blitzschnell Mahays Arm empor, erreichte
die Schultern und suchte verzweifelt nach einem Halt, um von dem
heftigen Windstoß nicht davongeweht zu werden.
    »Da kannst du lange suchen«, murmelte der Inder, als er
sah, wie ›Whiss‹ mit seinen kleinen Händen in der Luft
fuchtelte, auf der Suche nach einem Halt. »Da sind keine Haare,
in die du dich krallen könntest. Ich bin ein
außergewöhnliches Exemplar von Erdenmensch. Ich bin
sozusagen ein Glatzkopf.«
    ›Whiss‹ wiederholte jedes einzelne Wort im Tonfall von
Mahays Stimme. Dann klammerte er sich an Ranis Ohren und schmiegte
sich eng an den Hals des Inders, um nicht davongeweht zu werden.
    Schützend hielt Mahay seine große Hand über
›Whiss‹, deren Fläche ihn gerade bedeckte.
    Der Kleine kauerte sich wohlig darunter.
    »Fehlt nur noch –, daß du jetzt auch noch
anfängst zu schnurren wie eine Katze«, sagte Mahay
leise.
    Er lief geduckt über das terrassenförmig angelegte
Podest und wurde von dem Wind, der sich im Innern der Höhle
drehte, förmlich hinausgetrieben wie von unsichtbaren
Händen, die nach ihm stießen.
    Dann wieder diese hektischen, sich überschlagenden
Bewegungen, bei denen er glaubte, wie ein welkes Blatt im Wind zu
flattern.
    Alles grau in grau, als wäre er von dichtem
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