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Macabros 036: Gruft der bösen Träume

Macabros 036: Gruft der bösen Träume

Titel: Macabros 036: Gruft der bösen Träume
Autoren: Dan Shocker
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Sie war
eine flinke, sympathische Person und entschuldigte sich erneut,
daß sie die Ankunft verpaßt hatte.
    »Ich muß wohl eingeschlafen sein«, sagte sie
achselzuckend. »Mir passiert das häufig in der letzten
Zeit, wenn ich handarbeite. Um ehrlich zu sein, hatte ich Sie auch
früher erwartet. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, daß
Sie heute überhaupt noch kommen würden.«
    »Wir sind aufgehalten worden«, sagte Cathy schnell.
»Wir hatten eine Panne…«
    »Oh, das tut mir leid…«
    »Zum Glück konnten wir sie selbst beheben. Es war halb
so schlimm.«
    Cathy und Stan blickten sich um.
    Cynthia O’Donell meinte: »Sie haben sicher damit
gerechnet, von meinem Mann begrüßt zu
werden…«
    Die Frau wartete erst gar keine Antwort auf ihre Bemerkung ab,
sondern fuhr fort: »… Ich muß ihn leider
entschuldigen. Er mußte heute abend geschäftlich weg,
wissen Sie.«
    Ihre Worte klangen nicht überzeugend, aber darüber
machten sich die beiden Besucher auch nicht die geringsten
Gedanken.
    Man kam sofort ins Gespräch. Die Besitzerin erzählte von
der Tradition des Hauses und davon, daß sie eigentlich schon
lange den Betrieb einstellen wollten. Ein regelrechter
Publikumsbetrieb fände schon seit Jahren nicht mehr statt. Sie
waren alt und forcierten die Geschäfte nicht mehr.
Höchstens zwei oder drei Personen gleichzeitig nähmen sie
hier auf. Sie – das waren Cynthia und Andrew O’Donell,
denen das Haus hier gehörte – spiele ernsthaft mit dem
Gedanken, das Haus zu verkaufen und in die Stadt zu ziehen.
    »Dabei weiß ich nicht mal, ob die Stadtluft mir
bekommt«, lächelte die kleine, charmante Frau
gedankenverloren. »Wenn man fünfzig Jahre seines Lebens in
der Einsamkeit verbringt, wird man menschenscheu.«
    Sie zeigte ihnen das Haus. Es war alt und verwinkelt und
verbreitete jene Atmosphäre, die eine moderne Wohnung selbst
durch den besten Innenarchitekten nie erhielt.
    Sie sahen die alte Küche, die Wohnräume, die den
O’Donells dienten, und gingen kurz hinaus auf die Terrasse,
deren Boden aus blankem Felsgrund bestand. Ein rostiges Gitter
begrenzte die Terrasse. Dahinter begann die Steilküste. Tief
unten gab es eine Bucht. An den Felsen brachen sich die Wellen. Auf
dem steinigen Ufer lagen deutlich erkennbar zwei Ruderboote, die von
den zurückfließenden Wellen nicht mitgerissen werden
konnten.
    Von der Terrasse führte eine steile Treppe nach unten.
    Eine wildromantische Landschaft, wie man sie am ehesten noch auf
den Bildern alter französischer und holländischer Meister
fand. Daß es so etwas noch in Wirklichkeit gab, faszinierte das
jung Künstlerpaar, und Cathy Francis ertappte sich bei dem
Gedanken, daß man doch mal ganz unverbindlich nachfragen
könne, was das Haus hier am Kap koste.
    Das wäre doch eine ungewöhnliche und romantische
Unterkunft. Und das genau liebten sie. Mit der kleinen
Dreizimmerwohnung in Soho, das sie ihr Fürstenreich getauft
hatten, war es nicht weit her. Das hier war ein Palast dagegen…
und was man alles daraus machen konnte! Cathy Francis durfte nicht
darüber nachdenken, und schon ging die Phantasie mit ihr
durch.
    Sie mußte unbedingt mit Stan sprechen.
    Aber jetzt ging das nicht. Es fiel ihr schwer, den weiteren
Ausführungen der Einundsiebzigjährigen zu folgen, die man
glatt auf Mitte fünfzig schätzen konnte.
    Die gute Luft, das ruhige, ausgeglichene Leben hier in der
Abgeschiedenheit hatten ihre Spuren hinterlassen.
    Cynthia O’Donell führte sie die Treppe hinauf, um ihnen
die Zimmer zu zeigen, die für sie reserviert waren. Sie ging
voraus und ließ die Gäste dabei wissen, daß es eine
besondere Auszeichnung war, wenn zum Wochenende ein weiteres Paar
hier für zwei Tage blieb. Das waren Donald und Sioban Mogdan,
die diese Herberge von früher her kannten und Erinnerungen
auffrischen wollten.
    »Wir sind nicht darauf eingerichtet, mehrere Gäste
gleichzeitig zu bewirten«, kam es lebhaft über die Lippen
von Cynthia O’Donell. »Wir haben nur fünf Gerichte zur
Auswahl, eine Biersorte und eine hausgemachte Whiskysorte –
damit kann man keine Ehre einlegen.«
    Als sie die oberste Treppenstufe erreichten, wurde Cathy Francis
an ihre Beobachtung von vorhin erinnert.
    »Sind wir im Moment die einzigen Gäste hier im Haus,
Misses O’Donell?« wollte sie wissen.
    Sie blickte die kleine Frau an, die die Öllampe in der
Rechten hielt. Das flackernde Licht ließ das bleiche Gesicht
der Wirtin noch heller erscheinen und warf einen
vergrößerten,
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