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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman
Autoren: Christoph Marzi
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gewesen war.
    Spätestens als er dort angekommen war, hatte er mit allem, was mit seiner Familie und den Rhinns of Galloway zu tun hatte, gebrochen. Wenn Vergessen eine Kunst war, dann war Danny ihr Meister.
    Er war jetzt frei!
    Like a roiling stone.
    Ja, er lebte in dem weiten Land, das in seiner Jugend von Helden wie Audie Murphy, Gregory Peck, Randolph Scott, Kirk Douglas, Dean Martin, James Stewart, Clint Eastwood und - natürlich - John Wayne bevölkert gewesen war. Er dachte an all die Filme, die er sich spätabends gemeinsam mit Colin angeschaut hatte. Amerika war wie die Freiheit. Es war wie die Songs, die er immer gehört hatte.
    Von Anfang an hatte er das Gefühl gehabt, dass er irgendwo in diesem unermesslichen Land dort, wo er hinwollte, ankommen würde. Dass er hier finden würde, wonach er bisher vergeblich gesucht hatte.
    »Amerika klingt magisch.«
    Genau das war es, was er empfunden hatte.
    Magie!
    Es war diese rastlose Magie, die ihn, nachdcm er einige Monate im Greenwich Village getingelt hatte, vorantrieb, die ihn westwärts reisen ließ. Mit einem Greyhound. Bis nach Chicago Endlich!
    Sein Bedürfnis, dort auszusteigen, war einfach übermächtig gewesen, und wie so oft während der vergangenen Jahre folgte Danny einfach nur seinem Bauchgefühl.
    Er nahm verschiedene Gelegenheitsarbeiten an, um das winzige Zimmer in der Van Buren Street bezahlen zu können, wo ihn alle fünf Minuten die Hochbahn weckte. Abends spielte er in den kleinen Clubs im Loop, diesmal sogar mit einigen festen Engagements. Und dann, in einer Kneipe am Jackson Boulevard, wo Bilder von Hopper und Jasper Johns an den fleckigen Wänden hingen, fand er einen zerknitterten Zettel, der sein Leben veränderte.
    Ja, manchmal gibt es wirklich Zufälle wie diesen.
    Es war im Erühling, und Danny dachte langsam darüber nach, ob er sich einen alten Wagen kaufen und damit weiter westwärts fahren sollte. Die alte Unruhe ergriff wieder Besitz von ihm.
    Also suchte er an einem der Schwarzen Bretter, die überall hingen, nach einem Wagen, vielleicht sogar einem alten Plymouth oder Buick.
    Dort, wo die Anzeigenzettel für die Autoverkäufe hingen, hatte jemand ein abgerissenes Blatt angeheftet: Eine Band namens Rochester suchte einen Sänger. Songwriter-Songs. Dazu eine Telefonnummer, das war alles.
    So lernte Danny die Band kennen.
    Die Band, die damals noch gar keine richtige Band war, aber immerhin schon einen richtigen Namen hatte. Es gab Alex Fallon (Schlagzeug), Mike Jakubowski (Bass) und Carl Garris (Trompete und Saxophon). Mike gehörte der Keller, in dem sie probten, und Carl fuhr einen alten Pick-up aus Oklahoma, mit dem sie ihren Kram transportieren konnten. Danny, der singen und Gitarre spielen konnte, kam ihnen gerade recht.
    So fing es an.
    Rochester rockten die Clubs von Chicago. Sie spielten vornehmlich Cover-Versionen.
    Später, als sie eigene Songs spielten, nannten sie sich Dylan's Dogs. Was um Meilen besser klang und auch auf den Plakaten besser aussah.
    Das Leben fand einen neuen Rhythmus.
    Die Monate vergingen.
    Nach einiger Zeit kam dann eine Violine dazu: Soozie Sutcliffe.
    Wieder war ein Zettel an einem Schwarzen Brett dafür verantwortlich.
    Danny traf sie in einem Club namens Gaslight, an einem Mittag im Herbst, der voller bunter Blätter war, die wie verwunschene Träume am nassen Asphalt klebten. Die ganze Nacht über hatte es geregnet, und als die Sonne ihre Nase in den Wind steckte, da stiegen die Dämpfe wie Feen von der Straße auf und tauchten Chicago in ein Licht, das noch nie so gülden gewesen war wie an diesem Tag.
    »Sunny!« So stellte sie sich ihm vor.
    Sie lächelte, ohne den Blick abzuwenden, und vermutlich war es bereits in genau diesem Augenblick um Danny geschehen. Vielleicht war es auch in genau diesem ersten Moment, dass ihm die ersten Takte des Liedes in den Sinn kamen, das später zu My sweet Laura Lee werden sollte.
    Sunny trug ihre langen blonden Haare zu zwei Zöpfen geflochten. Ihre hellen blauen Augen waren wie schimmernde Seen, in denen Danny ertrank, bevor er sich dessen bewusst wurde. Bereits ihr erster Blick flutete über ihn hinweg, überwand die Rauchschwaden, die den Club in ein Schattenreich aus den Gedanken altehrwürdiger Beatniks verwandelten, und es war auch dieser Blick, der ihn an die Gestade ihrer Welt spülte, einer Welt, die frei war von allem, was er bisher mit sich herumgetragen hatte.
    Saw you there in the störe As I'd seen you before Thousand times, ev'ry day,
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