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Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)

Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)

Titel: Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)
Autoren: Kerstin Dirks
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verunsicherten Jünglings, der nicht begriff, was mit seinem Körper jede Vollmondnacht geschah, warum es geschah und woher dieser Fluch stammte, dem er anheim gefallen war.
    Er hatte die alten Schriften gelesen, in denen sich Männer in Wölfe verwandelten, weil sie von einem Werwolf gebissen worden waren. Doch ihm war nichts dergleichen geschehen, er hatte noch nicht einmal einen echten Wolf je gesehen. Unfähig in seiner monströsen Gestalt auch nur ein Wort zu sprechen, stieß er ein Grollen aus, das gefährlicher und aggressiver klang als das Brüllen eines ausgehungerten Löwen.
    „Wir sind uns sehr ähnlich, ob du es glaubst oder nicht“, sagte Jade und stellte sich vor ihn. „Ich bin eine Gestaltwandlerin, ein höheres Wesen. Eines, das im Gegensatz zu dir jegliche Form annehmen kann, wann immer es will.“ Ihre Worte klangen herablassend. „Ich nehme an, du fühlst dich in diesem Körper nicht wohl“, fuhr sie fort. „Nun, sonderlich ansehnlich bist du in der Tat nicht. Und eine Unterhaltung scheint ebenso unmöglich. Dennoch schlage ich dir ein Geschäft vor, über das du nachdenken solltest. Ich werde dich lehren, deine Kräfte zu gebrauchen, denn ich weiß alles über deine Art. Im Gegenzug wirst du mir zur Verfügung stehen, wann immer ich es will, denn du gefällst mir.“
    Sie sah ihm in die Augen und er hatte das Gefühl, sie könne in sein tiefstes Inneres blicken. Jade war ihm unheimlich. Aber sie behauptete die Antworten auf die Fragen zu kennen, die ihn quälten. Für diese Antworten war er bereit einiges zu geben.
    Jade ging zum Fenster und zog die dicken Samtvorhänge zu, sodass das Licht des Mondes nicht länger auf seinen Körper fiel. Erneut brandeten die schrecklichsten Schmerzen durch seinen Leib. Sie ließen ihn schreien, als durchbohrten Hunderte Pfeilspitzen seinen gepeinigten Körper. Er sank auf die Knie, einer Ohnmacht nahe. Das Knirschen seiner Knochen klang in seinen Ohren, er spürte, wie sich die Haare in seine Haut zurückzogen und seine Gestalt schrumpfte. Mehrere Male drohte es dunkel um ihn zu werden, bis er schließlich benommen am Boden liegen blieb. Die glatten Dielen kühlten seinen nackten Körper. Geschwächt hob er den Kopf und blickte zu Jade.
    Sie sah auf ihn herab und schmunzelte. „Du musst noch viel lernen, junger Werwolf.“
    Sie beugte sich vor und reichte ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen. Zögernd nahm er sie an.

Berlin 2008
     
    „Ist alles in Ordnung, Joli?“
    Joselin Balbuk, genannt Joli, Tierarzthelferin, 24 Jahre jung, Liebhaberin von Chilischokolade und trotz ihrer Leidenschaft für Kalorienbomben, grazil wie eine Gazelle, schreckte aus ihren Gedanken und starrte ihren Chef verwirrt an. Für einen Moment hatte sie alles um sich herum vergessen. Sie war peinlich berührt, denn so etwas war ihr noch nie passiert. Tagträumereien hob sie sich normalerweise für den Feierabend auf. Heute war jedoch alles anders. Sie musste immerzu an den Brief ihres Vaters denken. Ihres richtigen Vaters. Des Mannes, der sich 24 Jahre lang nicht um sie geschert, von dem sie weder einen Brief noch irgendeine andere Art von Lebenszeichen erhalten hatte. Ihr ‚Erzeuger’ hatte quasi keine Rolle in ihrem Leben gespielt. Bis zu dem Tag, an dem sie plötzlich in ihrem Briefkasten gelegen hatte, die Nachricht, auf die Joli Jahre lang gewartet hatte. Sie war knapp gehalten gewesen, geschrieben auf einem Bogen mit Marienkäferdruck, den man wohl eher auf dem Schreibtisch eines Kindes vermutete. Die Botschaft war unmissverständlich. Er wollte sie kennen lernen. Joli wusste nicht recht, was sie von dem unerwarteten Wunsch ihres Vaters halten sollte. Natürlich war sie neugierig auf ihn. Und sie hatte viele Fragen. Warum er sie weggegeben hatte, warum er sich erst jetzt meldete und sie wollte ihm Fragen über ihre leibliche Mutter stellen.
    „Halten Sie bitte die Katze fest“, schimpfte Doktor Mark.
    Joli schob ihre übergroße Brille mit bernsteinfarbenem Rand hoch und blickte auf den Untersuchungstisch, in ein kugelrundes Pelzgesicht, dessen gelbe Augen zornig funkelten. Wenn Blicke töten könnten, wäre Joli in diesem Moment leblos zu Boden gesunken oder zumindest bewusstlos geworden. Das Tier knurrte dramatisch. Es war allzu offensichtlich, dass es mit dieser Behandlung nicht einverstanden war und seine Krallen nur zu gern in Jolis nackte Arme gebohrt hätte. Immer wieder protestierte es heftig, sobald Jolis Griff sich etwas lockerte und es eine Möglichkeit sah, sich
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