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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
Autoren: Bettina Belitz
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den Sprung zu vermiesen oder zu verbieten. Schon wieder schob sich Leander dicht neben mich – so dicht, dass ich glaubte, sein schneeblaues Auge leuchten zu sehen. Seine langen Haare kitzelten meine Wange. Diesmal schaffte ich es nicht, ihn von mir wegzuschieben. Er stand da wie ein Fels. Ich gab auf, um in Seppo nicht weitere Zweifel an meiner Balance zu wecken. Ich musste Leander ignorieren, so schwer es mir auch fiel, denn ich fühlte ihn nicht nur, ich roch ihn auch.
    Neuerdings war er von Axe auf Armani umgestiegen. »Geliehen« natürlich. Leander klaute wie eine Elster, war aber felsenfest davon überzeugt, dass eine Drogeriemarktkette wie der dm von einem entwendeten Armani-Duschgel pro Monat schon nicht pleite gehen würde. Ich ließ ihn in seinem Glauben, denn ich war es leid, mein knappes Taschengeld für Herrenduschgels, Gesichtscremes, Bodylotions und Bravo-Hefte auszugeben, die Leander mit Begeisterung las, während ich mich durch meine Hausaufgaben quälte.
    Mama wiederum dachte, ich würde die Bravos lesen und endlich die Welt der Kosmetik für mich entdecken. Dass es sich bei der Kosmetik um »for men« -Produkte handelte, war ihr relativ egal. Ich würde mich beizeiten schon noch den blumigen Frauendüften zuwenden.
    »Viele junge Mädchen benutzen zum Einstieg Herrenparfums«, hatte sie im Brustton der Überzeugung verkündet. »Hab ich früher auch gemacht.«
    Ja, aber Mama war Diskuswerferin gewesen. Sie hatte einen Rücken wie ein Ochse. Wer tonnenschwere Scheiben durch die Gegend schleuderte, konnte keine blumigen Gerüche gebrauchen. Heute sah das anders aus. Mama war keine Leistungssportlerin mehr, versuchte, ihre bullige Diskuswerferstatur mit viel Rosa und Glitzer zu vertuschen, und belagerte die Badezimmerregale mit jeder Menge pastellfarbener Parfumflakons. Und es irritierte sie zutiefst, dass sie Leanders Cremes und Düfte kaum an mir riechen konnte.
    »Na ja, das ist von Haut zu Haut unterschiedlich«, hatte sie diesen Umstand neulich zu begründen versucht. Offenbar sauge meine Haut den Duft auf wie ein Schwamm. Ha, von wegen. Es war ganz einfach so, dass Leander für den Rest der Welt nur nach dem Zeug roch, wenn er es frisch aufgetragen hatte. Nach einigen Minuten aber war es lediglich für mich und ihn wahrnehmbar. Was für eine Verschwendung. Wobei das Armani-Duschgel wirklich lecker duftete. Instinktiv zog ich die Luft ein, um das Aroma von Leanders Haut zu inhalieren, und verpasste beinahe Seppos Start.
    Ehe ich blinzeln konnte, war er zum Rand des Dachs gerannt und auf das andere übergesetzt. Mit einer geschmeidigen Bewegung rollte er sich ab, kam wieder auf die Füße und strahlte uns an. So glücklich hatte ich ihn schon lange nicht mehr gesehen. Automatisch verzog sich mein Mund ebenfalls zu einem Grinsen.
    Seppo reckte den Daumen in die Luft. »Passt!«, rief er. »Los, Serdan, jetzt du. Aber Luzie lässt es besser bleiben. Okay, Luzie?«
    »Ich glaub, du hast sie nicht mehr alle!« Ich zeigte ihm einen Vogel. »Natürlich springe ich. Gleich nach Serdan.«
    Nach Serdan? Vor Serdan! Und zwar ehe Seppo auf die Idee kommen konnte, Billy zu befehlen, mich aufzuhalten. Ohne Vorwarnung sprintete ich los, flink und leicht geduckt, wie eine Katze auf der Jagd. Der schwüle Wind brachte meine Augen zum Tränen, doch das war egal. Ich musste nichts sehen, ich hatte alles genau ausgemessen. Noch sieben Schritte, noch sechs, noch fünf … Eine warme, fiebrige Hand schloss sich um meine. Verdammt, Leander. Verbissen rannte ich weiter, doch er versuchte gar nicht, mich aufzuhalten, nein, er lief mit, gab mir zusätzlichen Schwung!
    »Un, deux, trois«, sagte er leise und bei drei hoben wir ab, gleichzeitig, Hand in Hand und – verflucht, was war das denn? Wir drehten uns kopfüber in der Luft, ein Salto, und zwar einer vom Feinsten, mit Tempo nach vorne, so wie ich es in der Turnhalle x-mal geübt hatte. Doch unter uns lag keine Weichbodenmatte. Unter uns klaffte ein Abgrund. Vier Stockwerke zum Tod. Ich schloss die Augen. Wenigstens starb ich nicht alleine. Die Jungs waren da. Leander war da, hielt meine Hand, ich spürte sein Fieber, trotz der Julihitze … ich war nicht alleine …
    … und landete sicher auf beiden Füßen, circa zwanzig Zentimeter vom Abgrund entfernt, auf dem anderen Dach – so wie es sein sollte. Leander ließ mich los. Ich stürzte nach vorne, rollte mich aber einigermaßen elegant auf der heißen, teerigen Dachpappe ab. Ich lebte noch. Jawohl, ich lebte!
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