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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
Autoren: Bettina Belitz
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eins, schlug es pfeifend auf, rückte sich sein Stirnband zurecht und begann seelenruhig zu schmökern, unterbrochen nur von dem einen oder anderen abfälligen Kommentar auf Französisch.
    Ich gab mir keine Mühe, ihn zu verstehen, sondern legte mich aufs Bett, starrte auf meine Armbanduhr und sah zu, wie der Stundenzeiger sich unendlich langsam der Acht näherte.

Deeskalationstraining
    Wenn Blicke töten, martern, quälen, steinigen könnten, hätte ich es nicht einmal über die Schwelle der Pizzeria geschafft. Obwohl gut gelaunte italienische Musik lief, es nach Tomaten und Knoblauch duftete und fröhliches Stimmengewirr herrschte, fühlte ich mich wie in einer Folterkammer. Niemand tat mir etwas an oder machte mir Vorwürfe, aber ich fixierte stumm den Bierdeckel vor mir, weil ich es nicht wagte aufzusehen.
    Da waren Mamas Augen, rot geweint und geschwollen, die unablässig über meinen Bauch kreisten. Da waren Papas graue Augen, immer noch verunsichert und geschockt, aber auch sehr traurig. Da waren Seppos Augen, in meinem Rücken, ich spürte sie genau, und sie blickten nervös und gestresst. Er musste Pizzen durch die Luft wirbeln und in den Holzofen schieben, aber ständig fiel ihm der Teig runter und klatschte auf die Arbeitsfläche. Dann schimpfte und zeterte seine Mutter, als hätte er ein Verbrechen begangen. Und da waren auch noch Leanders zweifarbige Augen, die vor Vergnügen nur so sprühten. Ich hasste ihn dafür. Er lag neben uns auf der breiten Fensterbank hinter zwei wuchtigen Blumenkübeln, stützte sich mit dem linken Ellenbogen ab und gab sich keine Mühe, seine Schadenfreude zu verbergen.
    Früher war die Pizzeria für ihn tabu gewesen. Zu viele kleine Kinder. Jetzt schien ihm das egal zu sein. Dieses Ereignis wollte er sich nicht entgehen lassen, hatte er großmäulig verkündet. Außerdem sei bei Sky Patrol sowieso bekannt, dass er ein Geächteter sei. Seine Eltern hätten sich seit dem Besuch auf der Burg nicht mehr gemeldet. Das sei doch alles leeres Geschwätz gewesen. Niemand würde ihn bestrafen oder in den Kongo schicken. Einen Geächteten könne man nicht mehr bestrafen. Das sei sinnfrei. Manchmal hörte er sich beinahe enttäuscht an, wenn er darüber lamentierte. Er redete oft davon. Eigentlich viel zu oft. Doch jetzt hatte ich andere Sorgen.
    Frau Lombardi kehrte vom Tresen zurück und brachte uns unsere Getränke. Einen Kamillentee für Mama, ein Bitter Lemon für mich, einen Ramazzotti für Papa. Er kippte ihn in einem Zug hinunter. Normalerweise trank er nicht einmal an Silvester einen Schnaps, höchstens hin und wieder ein Glas Wein zu einem guten Essen. Da Mama für uns kochte, war das mit dem guten Essen eher selten der Fall. Oh, wann konnte ich ihnen endlich sagen, dass ich gar nicht schwanger war? Mein Plan würde sich zwar bestimmt als ausgezeichnet erweisen, aber wie die meisten ausgezeichneten Pläne war er teuflisch schwierig in der Durchführung.
    Aus den Augenwinkeln sah ich einen dunklen Schatten hinter Leander auftauchen. Wie elektrisiert wandte ich den Kopf zum Fenster und sofort folgten Mamas und Papas Blicke meinem. Auch Leander verrenkte sich den Hals, um zu sehen, was draußen auf der Straße vor sich ging.
    »Da ist das Bürschchen ja«, brummte Papa, als die Tür des schwarzen Kombis, der eben vorgefahren war, sich öffnete und Serdan ausstieg. Papa hörte sich an, als wolle er Serdan das Genick brechen. Serdans Eltern wirkten gehetzt. Sein Vater war vermutlich direkt aus der Fachhochschule gekommen, denn er trug noch Anzug und Krawatte. Wie meiner. In ihrem Aufzug konnten sie uns beide gleich vor den Altar zerren, damit das Kind nicht unehelich auf die Welt kam.
    »Das verstehe ich nicht«, murmelte Mama erstickt. »Die fahren einen Mercedes? Einen dicken neuen Mercedes? Serdans Vater sieht gar nicht aus, als würde er in der BASF Farbkessel reinigen, findest du nicht, Heribert? Luzie, hattest du nicht gesagt …«
    »Niemand reinigt heutzutage mehr Farbkessel in der Anilin, Rosa«, fuhr Papa gereizt dazwischen. »Woher hast du denn diesen Hokuspokus?«
    Das konnte ich ihm verraten. Von mir. Aus einer Notlüge heraus – Leander war schuld gewesen – hatte ich Serdans Familie Mama gegenüber als arm verkaufen müssen. Arm und mit vielen Kindern. Und sehr türkisch natürlich. Nach und nach hatte ich diese Geschichte nach Bedarf ausgeschmückt. Das mit dem Reinigen der Farbkessel gehörte dazu.
    »Hast du falsch verstanden, Mama«, sagte ich leise. »Der hat
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