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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Autoren: Michaela Seul
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erstrebenswert, sondern ein Manko. Das hat mich im Religionsunterricht schon gestört, dass, wer an Gott glaubt, sich doch eigentlich nicht ans Leben auf Erden klammern dürfte. Was Religionen betrifft, gibt es einige offene Fragen bei mir. Dazu gehört die Geschichte mit der Rippe. Bis zu meinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr war ich davon über zeugt, Männer hätten eine Rippe weniger als Frauen. Auf solides Erzählhandwerk achtend, konnte ich mir eine solche dramaturgische Dreistigkeit, die Entstehung von Adam und Eva zu verbreiten, ohne Beweise vorzuweisen, nicht vorstellen. Für mich war klar gewesen, dass die anatomische Tatsache einer fehlenden Rippe beim Mann kirchlicherseits geschickt zu der Entstehung von Adam und Eva ausgebeutet worden war. So logisch war mir das erschienen, dass ich niemanden danach gefragt hatte. Eines Tages, der Unterschied zwischen Mann und Frau war zu jener Zeit ein beliebtes Gesprächsthema, führte ich die Rippe an. Meine Freundin Eva, die Ärztin ist, behauptet heute noch, an ihrem darauf folgen den Lachkrampf beinahe erstickt zu sein. In jüngster Zeit tauchte bei mir eine neue Frage auf: Werden auch weibliche Selbstmordattentäter von zweiundsiebzig Jungfrauen in Empfang genommen? Bedeutet dies einen diskriminierenden Vorteil in der Bewerbung lesbischer Selbstmordattentäterinnen oder ist die Jungfernschaft unter Frauen nicht so wichtig? Was sagt die Gleichstellungsbeauftragte dazu? Oder sollte gerade die Schriftstellerin nicht alles wörtlich nehmen? Man übersetzt »It’s raining cats and dogs« ja auch nicht mit: Es regnet Katzen und Hunde. Sondern Schweine.

Sauwetter
    E s regnet und regnet und hört nicht mehr auf zu regnen, auf den Wegen steht der Matsch knöcheltief, nein, da will ich nicht raus. Und muss. In den fast zwölf Jahren, die Luna nun bei mir ist, fiel das Gassi abgesehen von der Zeit des Schlangenbisses, als sie zu schwach war, nie aus, ungefähr fünf mal war es stark verkürzt. Gut für mein Gewissen! Luna und ich, bei Wind und Wetter. Es ist immer dasselbe: Kaum habe ich mich überwunden, kaum bin ich draußen, ist es gar nicht mehr so schlimm. Doch ich laufe nicht stur eine unserer bekannten Strecken. Seit dem Schlangenbiss mache ich immer was draus. Wir spielen fangen, ich werfe einen Stock, Lunas Rute schwillt an, ich schau ihr zu und freu mich einfach an ihrem Dasein. Dem schwarzen glänzenden Fell und den Muskelpaketen, die sich darunter abzeichnen, dem federnden Gang, ihren Blicken: Bist du da? Ja, Luna, ich bin bei dir.
    Allein würde ich heute nie, nie, nie rausgehen. Gut, dass ich muss beziehungsweise es mir einbilde. Womöglich folgt Luna mir nur, damit ich kein schlechtes Gewissen haben muss. Hunde können auch mal auf ein Gassi verzichten, sind Meister der Anpassung. Ich bin es nicht.
    Beim Heimkommen rubble ich Luna kräftig trocken und einigermaßen sauber, das mag sie. Zwischen ihren Ballen haben sich Dreckklumpen gesammelt, die kriege ich nicht alle raus. Wenn sie abfallen in der nächsten Stunde, werde ich die Böden in Küche und Flur wischen. Luna lässt mich nicht aus den Augen. Wir waren draußen, jetzt muss bald der Napf kommen.
    »Nein, ich vergess dich nicht«, versichere ich ihr.
    Wie immer bleibt sie skeptisch vor ihrem Korb in Startposition liegen. Erst nach dem Napf wird sie sich zurückziehen für ein längeres Schläfchen. Es wäre bequem, sie bereits jetzt zu füttern. Hunde können einen anbrüllen, ohne einen Ton von sich zu geben. Luna beherrscht die Kunst, brav in ihrem Korb zu liegen und dabei einen Lärm zu machen, dass man sich kaum unterhalten kann: HUNGER!
    Angeblich ist ja alles, was die Hundehalterin in den Hund hineindenkt, was sie glaubt, dass in ihm vorgeht, Interpretation. In Wirklichkeit ist der Hund eine einzige Projektionsfläche. Die Hundehalterin glaubt, der Hund, der mit hängenden Ohren vor ihr steht, hat ein schlechtes Gewissen, weil er den Hausschuh zerbissen hat. In Wirklichkeit reagiert der Hund auf sie. Sie hat den Hausschuh gesehen, und irgendetwas in ihrem Verhalten hat sich verändert. Das erkennt der Hund, der auch dazu in der Lage ist, Hautkrebs zu erschnüffeln oder die Anfälle von Epileptikern vorherzu»sagen«. Unter dem Radar der Hunde können wir nicht durchfliegen. Wir können sie allerdings missverstehen.
    Im Radio hörte ich einmal ein Interview mit einer Sozial arbeiterin, die in einer Begegnungsstätte für Muslime arbeitete. Am schwierigsten sei es für sie gewesen, die Mentalität
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