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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Autoren: Michaela Seul
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vor knapp zwölf Jahren. An Johannes’ Stimme hörte ich, wie betroffen er noch immer war:
    »Micha war mit Luna, einer Freundin und ihrem Hund in einem sumpfigen Naturschutzgebiet spazieren. Auf einmal zitterte Luna am ganzen Körper. Die Freundin ist Ärztin und meinte, das sähe nach einem Schock aus. Vierzig Minuten mussten sie zurück zum Auto gehen, währenddessen schwoll zuerst Lunas Backe, dann ihr ganzes Gesicht monsterartig an, sodass sie schließlich eher wie ein Nilpferd denn wie ein Hund aussah. Micha vermutete einen Bienen- oder Wespenstich und gab Luna zu Hause das homöopathische Mittel Apis sowie Fenistil … Nein, sie ist nicht zum Tierarzt gefahren, weil es Sonntag war und weil sich Luna beim Tierarzt immer so aufregt. Ich kam erst abends nach Hause, wir riefen dann doch beim tierärztlichen Notdienst an, eine Ärztin meinte, sie hätte erst mal nichts anderes gemacht, wir sollten abwarten. Am nächsten Tag ging es Luna sehr schlecht, sie konnte kaum laufen. Wir brachten sie zur Tierärztin, sie bekam eine Kortisoninfusion, abends nochmal eine. Ihre Blutwerte rauschten in den Keller. Im Laufe der Nacht verschlechterte sich ihr Zustand so sehr, dass wir sie in die Klinik fuhren; sie konnte nicht mehr laufen, war ausgekühlt und apathisch.«
    Ich sah die Ärztin vor mir. Sie hatte mit leichtem wieneri schen Akzent gesprochen, deshalb klangen alle »Fallbeile« aus ihrem Mund niedlich.
    »Wenn Sie den Hund nicht zur Behandlung hier lassen, stirbt er in der nächsten Stunde.«
    Das sagte Johannes am Telefon nicht. Vielleicht war ihm der Dialekt der Ärztin gar nicht aufgefallen? Vielleicht erinnerte er sich an ihr Parfüm, das mir entgangen war, oder roch sie nach Desinfektionsmittel? Und woran erinnerte Luna sich? Wusste sie das alles noch? Was war ihr geblieben von den Nächten in der Fremde am Tropf?
    Johannes fuhr fort mit seinem Bericht: »Wir beschlossen, Luna eine Nacht in der Klinik zu lassen, daraus wurden drei, und es wurde nicht besser. Am Telefon teilte man uns mit, dass wir uns über Euthanasie Gedanken machen sollten. Da sind wir sofort losgefahren und holten Luna heim. Wir erwarteten, ein sterbendes Tier zu sehen, sie freute sich so sehr über uns, dass sie vor Wedeln fast umkippte. Zu Hause wollte sie erst mal was fressen. Unsere hiesige Tierärztin, die sich bereit erklärt hatte, zu uns zu kommen, um Luna einzuschläfern, schlug vor, ihr am nächsten Tag eine Bluttransfusion zu geben. In der Folge des Schlangenbisses war das gesamte blut bildende System zusammengebrochen. Unsere Tierärztin hatte am nächsten Morgen eine Sterilisation auf dem OP-Plan. ›Eine Berner Sennenhündin, neun Monate, kerngesund. Mit dem Besitzer habe ich schon gesprochen. Er ist einverstanden mit einer Blutspende.‹ Wir fragten nach:
    ›Ja, kann man denn so einfach Blut von einem Hund in den anderen laufen lassen?‹
    ›Ja, beim ersten Mal ist das kein Problem. Wenn Ihre Luna die Nacht überlebt, können Sie morgen kommen.‹«
    Luna ist eine Kämpferin. Sie hatte neue Lebenskraft, weil sie daheim war, bei ihrem Rudel. Wir wollten sie nicht aufregen, indem wir ihr Bett nach oben brachten. Alles sollte so sein wie immer. Nicht ganz, denn Johannes und ich legten uns auf den harten Küchenboden und bewachten unseren sterbenden Hund, der immer lebendiger wurde. Manchmal kam die heiße Zunge aus dem aufgeschwollenen Gesicht, und was all die Jahre zuvor lästig und unangenehm gewesen war, erfüllte uns mit Freude. Luna schleckte mir das Herz ab. Wir schöpften Hoffnung.
    Am nächsten Vormittag hielt ich die Glasflasche mit dem dickflüssigen himbeerroten Lebenssaft in der Hand, der Tröpf chen für Tröpfchen in Luna hineinfloss. Sie lag am Boden auf der Seite, Johannes streckte sanft ihr Bein, denn sobald sie es anwinkelte, stoppte der Blutfluss.
    »Ob sie spürt, dass ihr das hilft, dass wir ihr helfen wollen?«, fragte ich Johannes.
    »Ich glaube, schon«, meinte er. »Wir haben ihr doch noch nie etwas Böses getan, und ihr Vertrauen in uns ist gren zenlos.«
    Ich nickte. Das war es. Grenzenloses Vertrauen. Wir trugen die Verantwortung, wollten das Richtige tun. Wir konnten sie ja nicht fragen. Und wie sollten wir das in ihre Sprache übersetzen? Luna, sag mal, willst du ein bisschen Blut kriegen von einem Berner Sennenhund? Okay, die apportieren nicht, aber das hat bestimmt keine Folgen für dich, du bist so ein Apportierstar, da musst du dir keine Gedanken machen.
    Ich dachte über die vergangenen Stunden
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