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Lulu

Lulu

Titel: Lulu
Autoren: Frank Wedekind
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Arbeiter trägt Lulu ins Zelt zurück.)
    Und nun bleibt noch das Beste zu erwähnen:
    Mein Schädel zwischen eines Raubtiers Zähnen.
    Hereinspaziert! Das Schauspiel ist nicht neu,
    Doch seine Freude hat man stets dabei.
    Ich wag’ es, ihm den Rachen aufzureißen,
    Und dieses Raubtier wagt nicht zuzubeißen.
    So
schön
es ist, so
wild
und
buntgefleckt
,
    Vor meinem Schädel hat das Tier Respekt!
    Getrost leg’ ich mein Haupt ihm in den Rachen;
    Ein
Witz
 – und meine beiden Schläfen krachen!
    Dabei verzicht’ ich auf des Auges Blitz;
    Mein
Leben
setz’ ich gegen
einen
Witz;
    Die Peitsche werf ich fort und diese Waffen
    Und geb’ mich
harmlos
, wie mich Gott geschaffen. –
    Wisst ihr den Namen, den dies Raubtier führt? – –
    Verehrtes Publikum – – Hereinspaziert!!
    (Der Tierbändiger tritt unter Zimbelklängen und Paukenschlägen in das Zelt zurück.)

Erster Aufzug
    Geräumiges Atelier. – Rechts hinten Entreetür, rechts vorn Seitentür zum Schlafkabinett. In der Mitte ein Podium. Hinter dem Podium eine spanische Wand. Vor dem Podium ein Smyrnateppich. Links vorn zwei Staffeleien. Auf der hinteren das Brustbild eines jungen Mädchens. Gegen die vordere lehnt eine umgekehrte Leinwand. Vor den Staffeleien, etwas gegen die Mitte vorn, eine Ottomane. Darüber ein Tigerfell. Rechts an der Wand zwei Sessel. Im Hintergrund eine Trittleiter.
    Erster Auftritt
    SCHWARZ und SCHÖN .
    SCHÖN (auf dem Fußende der Ottomane sitzend, mustert das Brustbild auf der hinteren Staffelei)
    Wissen Sie, dass ich die Dame von einer ganz neuen Seite kennenlerne?
    SCHWARZ (Pinsel und Palette in der Hand, steht hinter der Ottomane)
    Ich habe noch niemanden gemalt, bei dem der Gesichtsausdruck so ununterbrochen wechselte. – Es war mir kaum möglich, einen einzigen Zug dauernd festzuhalten.
    SCHÖN (auf das Bild deutend, ihn ansehend)
    Finden Sie das darin?
    SCHWARZ
    Ich habe das Erdenklichste getan, um durch meine Unterhaltung während der Sitzungen wenigstens etwas Ruhe in der Stimmung hervorzurufen.
    SCHÖN
    Dann verstehe ich den Unterschied.
    SCHWARZ
    (taucht den Pinsel ins Ölnäpfchen und überstreicht die Gesichtszüge).
    SCHÖN
    Glauben Sie, es wird dadurch ähnlicher?
    SCHWARZ
    Man kann nicht mehr tun, als es mit der Kunst so gewissenhaft wie möglich nehmen.
    SCHÖN
    Sagen Sie mal …
    SCHWARZ (zurücktretend)
    Die Farbe ist auch wieder etwas eingeschlagen.
    SCHÖN (ihn ansehend)
    Haben Sie jemals in Ihrem Leben ein Weib geliebt?
    SCHWARZ (geht auf die Staffelei zu, setzt eine Farbe auf und tritt auf der anderen Seite zurück)
    Der Stoff ist noch nicht genügend abgehoben. Man sieht noch nicht recht, dass ein lebender Körper darunter ist.
    SCHÖN
    Ich zweifle nicht daran, dass die Arbeit gut ist.
    SCHWARZ
    Wenn Sie hierhertreten wollen.
    SCHÖN (sich erhebend)
    Sie müssen ihr wahre Schauergeschichten erzählt haben.
    SCHWARZ
    So weit wie möglich zurück.
    SCHÖN (zurücktretend, stößt die an die vordere Staffelei gelehnte Leinwand um)
    Pardon …
    SCHWARZ (den Rahmen aufhebend)
    O bitte …
    SCHÖN (betroffen)
    Was ist das …
    SCHWARZ
    Kennen Sie sie?
    SCHÖN
    Nein.
    SCHWARZ (setzt das Bild auf die Staffelei. Man sieht eine Dame als Pierrot gekleidet mit einem hohen Schäferstab in der Hand)
    Ein Kostümbild.
    SCHÖN
    Die ist Ihnen aber gelungen.
    SCHWARZ
    Sie kennen sie?
    SCHÖN
    Nein. Und in dem Kostüm?
    SCHWARZ
    Es fehlt noch die ganze Ausführung.
    SCHÖN
    Na ja.
    SCHWARZ
    Was wollen Sie. Während sie mir steht, habe ich das Vergnügen, ihren Mann zu unterhalten.
    SCHÖN
    Sagen Sie …
    SCHWARZ
    Über Kunst natürlich, um mein Glück zu vervollständigen.
    SCHÖN
    Wie kommen Sie denn zu der reizenden Bekanntschaft?
    SCHWARZ
    Wie man dazu kommt. Ein steinalter, wackliger Knirps fällt mir hier herein, ob ich seine Frau malen könne. Nun natürlich, und wenn sie runzlig wie Mutter Erde ist. Andern Tags Punkt zehn fliegen die Türen auf, und der Schmerbauch treibt dies Engelskind vor sich her. Ich fühle jetzt noch, wie mir die Knie schwankten. Ein stocksteifer, saftgrüner Lakai mit einem Paket unter dem Arm. Wo die Garderobe sei. Denken Sie sich meine Lage. Ich öffne die Tür da (nach rechts deutend) . Nur ein Glück, dass schon alles in Ordnung war. Das süße Geschöpf huscht hinein, und der Alte postiert sich als Schanzkorb davor. Zwei Minuten darauf tritt sie in diesem Pierrot heraus. (Den Kopf schüttelnd.) Ich habe nie so was gesehen. (Geht nach rechts und starrt an die Schlafzimmertür
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