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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE)
Autoren: Chuck Palahniuk
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hoch. Ihr Kind, kalt und blau wie Porzellan. Gefroren und spröde wie Glas.
    Und sie schleudert das tote Kind durch den Raum, und es kracht gegen den Stahlschrank, fällt zu Boden und kreiselt auf dem Linoleum. Patrick. Ein gefrorener Arm bricht ab. Patrick. Der kreiselnde Körper schlägt gegen den Stahlschrank, und ein Bein knickt ab. Der armlose, beinlose Körper, eine kaputte Puppe, knallt an die Wand, und der Kopf bricht ab.
    Und Helen zwinkert und sagt: »Also wirklich, Dad. Bild dir doch nichts ein.«
    Und ich sage: Du Schwein.
    Oyster hat Helen besetzt, so wie ein Heer eine Stadt besetzt. Wie Helen Sarge besetzt hat. Wie die Vergangenheit, die Medien, die Welt einen besetzen.
    Helen sagt, Oyster sagt durch Helens Mund: »Mona wusste schon seit Wochen von dem Grimoire. Sie wusste es schon, als sie Helens Terminkalender zum ersten Mal gesehen hat.« Er sagt: »Sie konnte es bloß nicht übersetzen.«
    Oyster sagt: »Ich hab’s mit Musik, und Mona hat es ... tja, Mona hat es eben mit Dummheit.«
    Mit Helens Stimme sagt er: »Mona ist heute Nachmittag in irgendeinem Schönheitssalon aufgewacht, hat sich die Nägel rosa lackieren lassen.« Er sagt: »Sie ist ins Büro zurückgerannt, und dort hat Mrs. Boyle wie im Koma auf dem Schreibtisch gelegen.«
    Helen schaudert und greift sich an den Unterleib. »Sie sagt: »Neben Mrs. Boyle lag ein übersetzter Zauberspruch, ein Okkupationszauber. Sie hat tatsächlich schon alle Sprüche übersetzt.«
    Sie sagt, Oyster sagt: »Gott segne Mama und ihre Kreuzworträtsel. Sie ist irgendwo hier drin und ganz schön wütend.«
    Oyster sagt, durch Helens Mund sagt er: »Grüß Mama von mir.«
    Die spröde blaue Statue, das gefrorene Baby, liegt zertrümmert zwischen den zerschlagenen Juwelen, ein abgebrochener Finger hier, die abgebrochenen Beine da, der zersprungene Kopf.
    Ich sage, und jetzt wollen er und Mona alle töten und Adam und Eva werden?
    Jede Generation will die letzte sein.
    »Nicht alle«, sagt Helen. »Wir werden ein paar Sklaven brauchen.«
    Mit Helens blutigen Händen greift er nach unten und zieht ihren Rock hoch. Er fasst ihr in den Schritt und sagt: »Vielleicht habt ihr zwei, du und Mama, ja noch Zeit für eine schnelle Nummer, bevor sie hin ist.«
    Und ich hebe mir Helens Körper auf den Schoß.
    Mein ganzer Leib schmerzt mehr als mein Fuß je geschmerzt hat.
    Helen schreit auf, schreit spitz auf und rutscht auf den Fußboden. Sie rollt sich auf dem kalten Linoleum zusammen, zwischen den zerschlagenen Edelsteinen und den Trümmern von Patrick, und sagt: »Carl?«
    Sie hebt eine Hand an den Mund, betastet die Juwelen, die dort stecken. Sie dreht sich zu mir um und sagt: »Carl? Carl, wo bin ich?«
    Sie sieht den Stahlschrank, das eingeschlagene graue Fenster. Sie sieht zuerst die kleinen blauen Arme. Dann die Beine. Den Kopf. Und sie sagt: »Nein.«
    Blutsprühend sagt sie: »Nein! Nein! Nein!« Sie kriecht durch die scharfen bunten Splitter, die kaputten Zähne machen ihre Stimme ganz undeutlich, sie greift nach den Bruchstücken. Schluchzend, mit Blut und Galle bedeckt, alles stinkt, hält sie die zerbrochenen blauen Teile umklammert. Die Hände, die winzigen Füße, den zerschrammten Torso und den verbeulten Kopf, das alles drückt sie sich an die Brust und schreit: »O Patrick! Patty!«
    Sie schreit: »O mein Patty-Pat-Pat! Nein!«
    Sie küsst den verbeulten blauen Kopf, presst ihn an die Brust und fragt: »Was ist passiert? Carl, hilf mir.« Sie starrt mich an, bis ein Krampf sie in der Mitte knickt und sie die leere Flasche Abflussreiniger auf dem Boden sieht.
    »Gott, Carl, hilf mir«, sagt sie und wiegt das Kind in den Armen. »Gott, bitte sag mir, wie ich hier hingekommen bin!«
    Und ich gehe zu ihr. Ich nehme sie in die Arme und sage, zuerst tue der neue Besitzer so, als hätte er sich den Boden im Wohnzimmer noch nie angesehen. Nie richtig hingesehen. Nicht beim ersten Mal, als sie durchs ganze Haus gegangen sind. Nicht, als sie bei der Wohnungsbesichtigung herumgeführt wurden. Sie hatten die Zimmer ausgemessen und den Möbelpackern gesagt, wo sie die Couch und das Klavier hinstellen sollten, hatten ihre gesamte Habe reingeschleppt und nicht ein einziges Mal den Boden im Wohnzimmer angesehen. Behaupten sie.
    Helen hält den Kopf tief über Patrick gesenkt. Das Blut rinnt ihr aus dem Mund. Ihre schlaffen Arme können nichts mehr halten, die kleinen Finger und Zehen fallen auf den Boden.
    In wenigen Augenblicken werde ich allein sein. Das ist mein
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