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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE)
Autoren: Chuck Palahniuk
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Hand durch den Rauch, sieht sich um und sagt: »Was ist denn hier los?« Die Tür fällt hinter ihm zu.
    Und Nash zieht das Kinn ein und schiebt zwei Finger in die Brusttasche. Er fischt eine weiße, mit roten und gelben Essensresten beschmierte Karteikarte heraus und liest das Merzlied vor, tonlos und gleichmäßig wie jemand, der vor sich hin zählt. Wie Helen.
    Der Mann im Eingang verdreht die Augen. Die Knie geben nach, und er sackt seitlich zusammen.
    Ich stehe einfach nur da.
    Nash steckt die Karteikarte in die Tasche zurück und sagt: »Also, wo waren wir?«
    Ich frage, wo er das Gedicht gefunden hat.
    Und Nash sagt: »Raten Sie mal.« Er sagt: »Ich hab’s aus der einzigen Quelle, die man nicht zerstören kann.«
    Er nimmt eine Bierflasche, richtet den langen Hals auf mich und sagt: »Denken Sie nach.« Er sagt: »Überlegen Sie mal.«
    Das Buch Gedichte und Lieder aus aller Welt wird niemals aus der Reichweite der Menschen verschwinden. Vor aller Augen versteckt. Nur an diesem einen Ort, sagt er. Unmöglich, es zu vernichten.
    Aus irgendeinem Grund muss ich an Trespe denken. Und Zebramuscheln. Und Oyster.
    Nash nimmt einen Schluck Bier, stellt die Flasche ab und sagt: »Überlegen Sie.«
    Ich sage: die Fotomodelle, die Morde. Ich sage, es ist unrecht, was er da tut.
    Und Nash sagt: »Sie geben auf?«
    Er muss einsehen, dass es unrecht ist, Sex mit toten Frauen zu haben.
    Nash nimmt seinen Löffel und sagt: »Die gute alte Library of Congress. Unterhalten von Ihren Steuerdollars.«
    Verdammt.
    Er taucht den Löffel in sein Chili. Er schiebt sich den Löffel in den Mund und sagt: »Und halten Sie mir keine Vorträge über die Sünde der Nekrophilie.« Er sagt: »Sie sind so ziemlich der Letzte, der zu diesem Thema Vorträge halten sollte.« Den Mund voller Chili, sagt Nash: »Ich weiß, wer Sie sind.«
    Er schluckt und sagt: »Sie werden immer noch von der Polizei gesucht.«
    Er leckt sich das Chili von den Lippen und sagt: »Ich habe den Totenschein Ihrer Frau gesehen.« Er lächelt und sagt: »Anzeichen von Geschlechtsverkehr post mortem, hä?«
    Nash zeigt auf einen leeren Stuhl, und ich setze mich.
    »Und erzählen Sie mir nicht ...« Er beugt sich über den Tisch und sagt: »Erzählen Sie mir nur nicht, das wäre nicht so ziemlich der beste Sex gewesen, den Sie jemals gehabt haben.«
    Und ich sage, er soll damit aufhören.
    »Sie können mich nicht umbringen«, sagt Nash. Er bröckelt eine Hand voll Cracker in seine Schüssel und sagt: »Sie und ich, wir nehmen uns gar nichts.«
    Und ich sage, das war was anderes. Sie war meine Frau.
    »Ihre Frau oder nicht«, sagt Nash. »Tot ist tot. Und damit ist es Nekrophilie.«
    Nash stößt den Löffel in Cracker und Chili und sagt: »Wenn Sie mich umbringen, wäre das für Sie dasselbe, als wenn Sie sich selbst umbringen würden.«
    Ich sage, er soll den Mund halten.
    »Immer mit der Ruhe«, sagt er. »Ich habe keinem ein Wort davon erzählt.« Nash zermalmt einen Mund voll Cracker mit Chili. »Das wäre dumm gewesen«, sagt er. »Das heißt, denken Sie doch mal nach.« Und er schaufelt sich noch mehr Chili rein. »Die müssten es ja nur lesen, und Konkurrenz kann ich nicht brauchen.«
    Unvollkommen und chaotisch, das ist die Welt, in der ich lebe. So weit von Gott entfernt, sind das die Menschen, die mir geblieben sind. Alles greift nach der Macht. Mona und Helen und Nash und Oyster. Die Einzigen, die mich kennen, hassen mich. Wir hassen uns alle. Wir fürchten uns alle. Die ganze Welt ist mein Feind.
    »Sie und ich«, sagt Nash, »wir können keinem vertrauen.«
    Willkommen in der Hölle.
    Wenn Mona Recht hatte, als sie Karl Marx zitierte, dann hieße Nash umbringen, ihn erlösen. Ihn Gott zurückgeben. Ihm helfen, Anschluss an die Menschheit zu finden, indem man seine Sünden zerstreut.
    Mein Blick begegnet seinem, und Nash bewegt die Lippen. Sein Atem riecht nach Chili.
    Er sagt das Merzlied auf. Scharf wie Hundegebell spricht er jedes einzelne Wort, so scharf, dass die Chilisauce ihm in Blasen aus dem Mund kommt. In roten Tropfen von den Lippen fliegt. Er bricht ab und sieht in seine Brusttasche. Er tastet nach der Karteikarte. Er nimmt sie mit zwei Fingern und liest. Die Karte ist so verschmiert, dass er sie am Tischtuch abwischen muss. Dann fängt er noch einmal zu lesen an.
    Es klingt düster und schwer. Wie das Schicksal.
    Meine Augen entspannen sich, die Welt verschwimmt zu einem unscharfen Grau. Meine Muskeln werden weich und lang. Meine Augen drehen
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