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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE)
Autoren: Chuck Palahniuk
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Totenschein. Kommt es innerhalb einer Familie zu einem zweiten Todesfall dieser Art, wird bis zum Beweis des Gegenteils von Mord ausgegangen.
    Die Wände des Schlafzimmers in der Eigentumswohnung sind grün gestrichen. Die Flanellbezüge des Betts sind mit Scotchterriern bedruckt. Die Gerüche im Zimmer stammen ausschließlich von einem Aquarium voller Eidechsen.
    Wird das Kind mit einem Kopfkissen erstickt, spricht der Gerichtsmediziner von einem »sanften Mord«.
    Mein fünftes totes Kind liegt in einem Hotelzimmer draußen am Flughafen.
    In Farmhaus und Eigentumswohnung findet sich das Buch Gedichte und Lieder . . . Aufgeschlagen auf Seite 27. Es ist jedes Mal das Exemplar aus der Bezirksbücherei mit meinem Bleistiftzeichen am Rand. In dem Hotelzimmer keine Spur von dem Buch. Es ist ein Doppelzimmer, das Baby liegt auf einem französischen Bett neben dem Bett der Eltern. In einem Wandschrank steht ein Farbfernseher, ein Zenith mit Sechsunddreißig-Zoll-Bildschirm und sechsundfünfzig Kabelkanälen und vier Lokalsendern. Brauner Teppichboden, Vorhänge mit blauen und braunen Blumenmustern. Im Bad liegt ein nasses Handtuch auf dem Fußboden, besudelt mit Blut und grünem Rasiergel. Die Toilette wurde nicht gespült.
    Die Tagesdecken sind blau und riechen nach Zigarettenrauch.
    Kein einziges Buch zu sehen.
    Ich frage, ob die Eltern irgendetwas aus dem Zimmer entfernt haben, und der Polizist sagt Nein. Es sei aber jemand vom Sozialamt gekommen und habe ein paar Kleidungsstücke abgeholt.
    »Ach«, sagt er, »und ein paar Bücher aus der Bibliothek, die längst überfällig waren.«

5
     
    Die Haustür schwingt auf, und darin steht eine Frau mit einem Handy am Ohr; sie lächelt mich an und spricht mit jemand anderem.
    »Mona«, sagt sie in das Handy, »fassen Sie sich kurz. Mr. Streator ist schon da.«
    Sie zeigt mir den Rücken ihrer freien Hand, die kleine funkelnde Uhr an ihrem Handgelenk, und sagt: »Er ist ein paar Minuten zu früh.« Ihre andere Hand, die langen rosa Fingernägel mit den weiß lackierten Spitzen, das kleine schwarze Handy, das alles verschwindet in der schimmernden rosa Wolke ihres Haars.
    Lächelnd sagt sie: »Ganz ruhig, Mona.« Ihr Blick wandert an mir auf und ab. »Braune Sportjacke«, sagt sie, »braune Hose, weißes Hemd.« Sie runzelt die Stirn und fährt zurück. »Und eine blaue Krawatte.«
    Die Frau sagt ins Telefon: »Mittleres Alter. Einsachtundsiebzig. Etwa fünfundsiebzig Kilo. Kaukasischer Typ. Braun. Grün.« Sie zwinkert mir zu und sagt: »Das Haar ist etwas zerzaust, und er hat sich heute noch nicht rasiert, macht aber einen recht harmlosen Eindruck.«
    Sie beugt sich vor und bewegt lautlos die Lippen: Meine Sekretärin.
    In das Handy sagt sie: »Was?«
    Sie tritt ins Haus und bedeutet mir mit der freien Hand, ihr zu folgen. Sie verdreht die Augen, bis unsere Blicke sich treffen, und sagt: »Danke für Ihre Anteilnahme, Mona, aber ich glaube nicht, dass Mr. Streator mich vergewaltigen will.«
    Wir sind hier im Gartoller-Anwesen am Walker Ridge Drive, einem Gebäude im georgianischen Stil mit acht Schlafzimmern, sieben Bädern, vier Kaminen, einem Frühstücksraum, einem Speisezimmer und einem hundertvierzig Quadratmeter großen Ballsaal in der vierten Etage. Auf dem Gelände befinden sich zusätzlich eine Garage für sechs Fahrzeuge und ein Gästehaus. Außerdem ein Swimmingpool und ein Alarmsystem für Feuer und Einbruch.
    Der Walker Ridge Drive liegt in einer Gegend, in der fünfmal die Woche die Müllabfuhr kommt. Hier leben Menschen, die die Androhung eines anständigen Gerichtsverfahrens zu schätzen wissen, und wenn man sie besucht und sich ihnen vorstellt, zeigen sie sich lächelnd einverstanden.
    Das Gartoller-Anwesen ist schön.
    Diese Leute bitten einen nicht ins Haus. Sie stehen in ihrer halb geöffneten Haustür und lächeln. Sie erklären einem, sie wüssten wirklich gar nichts über die Geschichte des Gartoller-Hauses. Es sei eben ein Haus.
    Wenn man weitere Fragen stellt, blicken sie einem über die Schulter auf die leere Straße. Dann lächeln sie wieder und sagen: »Da kann ich Ihnen nicht behilflich sein. Sie müssen sich schon an den Makler wenden.«
    Auf dem Schild am Haus Walker Ridge Drive Nr. 3465 steht Boyle Immobilien. Besichtigung nur nach Vereinbarung.
    Bei einem anderen Haus wurde mir die Tür von einer Frau in Dienstmädchenkleidung geöffnet, hinter ihrem schwarzen Rock schaute ein fünf oder sechs Jahre altes Mädchen hervor. Die Frau schüttelte
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