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Luftschlösser

Luftschlösser

Titel: Luftschlösser
Autoren: Susanne Nitzsche
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nickend.
    „Wie viele Etagen?”, fragte Persephone knapp.
    „Zwei Etagen. Das Haus ist gerade erst fertig geworden. Bis jetzt stehen nur die tragenden Wände. Alle anderen können nach Belieben eingezogen werden. Ich schätze, das lässt sich am besten vor Ort besprechen.” Charles lächelte und gab sich größte Mühe, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Die Frau, die so gar nichts mit der kleinen Sephi seiner Vergangenheit gemein hatte, brachte ihn aus dem Konzept.
    „Für einen ersten Überblick würde ein Grundriss genügen.”
    Sie taxierte Manning. Er war inzwischen 37 Jahre alt, noch immer faltenfrei, mit rotbraunen Locken und stechend blauen Augen. Jeder würde ihn ohne zu zögern auf Anfang 30 schätzen. Die ausgeprägten Wangenknochen, die ihn schon als Jungen ausgezeichnet hatten, hatte er seinem Vater zu verdanken. Dieses Merkmal, durch das er überall hervorstach und sich von der breiten Masse abhob, hatte schon seine Mutter zu Wachs in den Händen des älteren Mr Manning werden lassen. Die spätere Mrs Manning war der eleganten Weltläufigkeit des Briten im Handumdrehen erlegen. Wahrscheinlich waren die beiden noch immer glücklich verheiratet. Persephone wusste es nicht. Fünfzehn Jahre hatte sie Charles nicht gesehen. Fünfzehn Jahre, von denen sie mindestens vier gebraucht hatte, um ihn zu vergessen und aus ihren Gedanken zu streichen. Dieser Auftrag würde die Hölle auf Erden werden.
    „Auf diese Antwort hatte ich gehofft. Der Grundriss liegt draußen am Eingang. Einen Moment bitte, ich bin gleich wieder da.” Charles verließ mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht den Raum.
    „Ja, das befürchte ich”, murmelte Persephone. Lauter sagte sie dann: „Dad, müssen wir diesen Auftrag wirklich annehmen?”
    Edward deWinter zog die Stirn in Falten. „Aber selbstverständlich, Kleines. Charly ist ein alter Freund, und alte Freunde weist man nicht ab. Außerdem klingt das Projekt recht interessant. Ein Apartment, in dem du bestimmst, wo welche Wand gesetzt wird - traumhaft. Ich wünschte, ich hätte diese Freiheit öfters gehabt.”
    „Okay, da ist was dran. Machen wir also das Beste daraus.” Wenn Persephone deWinter in ihrem Leben eines gelernt hatte, dann, dass man sich ihrem Vater nicht widersetzte - auch sie nicht.
    „Da bin ich wieder!” Manning hatte die Tür zu Edwards Büro aufgerissen, ohne vorher anzuklopfen. In der Hand hielt er einen Bogen gefaltetes Papier.
    „Das ist nicht zu übersehen”, bemerkte Persephone spöttisch.
    Er schaute einen Moment lang irritiert in ihre kalten grünen Augen und breitete dann mit wesentlich weniger Elan das Papier auf dem Schreibtisch aus.
    Beide deWinters beugten sich über den Grundriss der beiden Stockwerke und begannen, sich mit gedämpften Stimmen zu beraten. Charles bekam davon nur mit, dass sein neues Apartment offenbar ausgezeichnet geschnitten war und viele Gestaltungsmöglichkeiten bot. Er sah sich derweil unauffällig um. Das Büro hatte, wie der Rest des Hauses, im Laufe der Jahre einige unauffällige Änderungen durchgemacht. Während im Wohnzimmer die dunklen Farben beinahe komplett einer fast nordisch anmutenden Aufgeräumtheit gewichen waren, hatten sich hier die edelsten Hölzer in einer gefälligen Mischung zusammengefunden. Dabei bildete der große Schreibtisch noch immer das Herzstück dieses Raumes.
    „Für wie viele Personen plane ich? Frau, Kinder?” Persephone blickte unvermittelt zu Charles auf und riss ihn aus seinen Überlegungen. Wie hatte sie sich nur derart verändern können?
    „Ähm, nur für mich. Keine Frau, keine Kinder.”
    „In Ordnung. Wie soll die Wohnung strukturiert sein? Hell, dunkel, offen oder abgeschlossene Räume?” Der Schalter in ihrem Kopf hatte sich umgelegt. Nur der Auftrag zählte. Der Auftraggeber selbst spielte dabei eine untergeordnete Rolle.
    „Oh, darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Hell, schätze ich, so wie hier. Nicht ganz offen, aber auch keine zu geschlossenen Räume. Ergibt das überhaupt einen Sinn?” Charles warf einen skeptischen Blick auf die Linien des Grundrisses. Er hatte keine Ahnung davon, wie dieses Apartment aussehen konnte oder sollte.
    „Mach’ dir mal keine Sorgen, mein Junge”, lachte Edward väterlich. „Persephone wird zweifelsohne die schönste Behausung von ganz New York aus diesem Rohmaterial zaubern. Sie hat nicht umsonst bei den Besten gelernt.” deWinter vergötterte seine seltsame, eigenbrötlerische Tochter und
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