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Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Gier
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als das hier.«
    Es war wirklich so: Außer mir war niemand mit seinem Leben zufrieden.
    »Ich muss jetzt Schluss machen, Vivi, aber ich bin in einer halben Stunde bei dir. Meinst du, du schaffst es bis dahin, keinem deiner perversen Internetbekanntschaften eine E-Mail zu schicken?«
    »Das dürfte kein Problem sein«, seufzte Vivi. »Mir ist vorhin eine Tasse Kaffee über die Tastatur gekippt. Da geht gar nichts mehr.«
    Ich verstaute das Handy wieder in meinem Rucksack und suchte in Leanders Wickelrucksack nach Feuchttüchern. »Vivi hat wieder mal ihren Job hingeschmissen, und ich muss ihr bei der Bewerbung helfen, weil sie bei zu viel Freizeit nachweislich auf dumme Gedanken kommt.« Ich kniete neben Toni nieder und kümmerte mich um Finns andere Hand. Das gute Kind fasste grundsätzlich alles mit beiden Händen an. »Um acht treffen wir uns dann mit Carla und Sonja in der Sushibar, und ich hab mir noch nicht die Haare gewaschen. Deshalb muss ich jetzt leider weg.«
    »Aber ja, es ist Freitagnachmittag, und das Wochenende hat begonnen«, schnaubte Toni. »Für alle, außer für mich. Justus wird das ganze verdammte Wochenende in Hannover sein. Halt bloß still, Finn! Carla und Sonja wer?«
    »Sonja-deine-Handtasche-paßt-aber-nicht-zu-deinenSchuhen-Möhring und Carla-wer-ist-denn-der-süße-Typ-da-in-der-Ecke-Lautenbacher. Carla ist Redaktionssekretärin bei Annika , und Sonja war mit Vivi im Internat. Du kennst sie nicht.«
    »Weil sie ihre Freizeit nicht in Krabbel- und Spielgruppen verbringen oder sich auf städtischen Spielplätzen herumtreiben, meinst du? Oh nein, jetzt hast du’s auch an deiner Jacke, Finn. Dabei gehe ich ja noch nicht mal in so eine Krabbelgruppe. Ich hab’s versucht. Bei Henriette hab ich’s wirklich versucht. Aber all die anderen Mütter haben mich für eine Art Alien gehalten. Ist das nicht seltsam? Für euch normale Freaks bin ich ein Alien, weil ich drei Kinder habe, und für die anderen Mütter bin ich ein Alien, weil ich noch nie auf einer Tupperparty war und keinen Sprühreiniger für mein Cerankochfeld benutze! Ich bin ein Wanderer zwischen den Welten. Sogar mein eigener Mann hält mich für ein Alien.«
    »So ein Blödsinn«, versuchte ich zu widersprechen. Tonis Mann vergötterte sie, und nicht alle Mütter in dieser Stadt verbrachten ihre Freizeit auf Tupperpartys. Im Gegenteil: Auf Carlas Tupperparty neulich war nicht eine einzige Mutter gewesen, nur Vivi, Sonja und ich und jede Menge Karrierefrauen, die ihre Vorratshaltung revolutionieren wollten. Ich selbst war nun stolze Besitzerin einer stattlichen Anzahl so genannter Eidgenossen. Nie waren meine Cornflakes besser aufgehoben gewesen. Ich hatte das Gefühl, für meine Eidgenossen in die Bresche springen zu müssen. »Weißt du, Toni, solange du in solch klischeebehafteten Schubladen denkst, musst du dich nicht wundern, wenn du selber in eine geschoben wirst. Du bist eine tolle Frau und eine wunderbare, patente Mutter. Wenn du nur anfangen würdest, dich selber …«
    »Verdammt, Finn!«, unterbrach mich Toni schrill. »Mama will kein Aa an ihrer Hose haben. Die ist von Patrizia Pepe und hat Papa verdammt viel Geld gekostet. Und Mama hat es verdammt viel Zeit gekostet, den verdammten Knopf über der verdammten Wampe zuzukriegen.«
    Ich sah an Tonis graziler 36-er Figur herab und suchte vergeblich nach etwas, das man »Wampe« schimpfen durfte. Dabei fiel mit etwas auf: »Du hast einen Rock an, Toni.«
    »Was? Ach, stimmt ja, Henriette hat heute Mittag Ketchup über die Hose gekleckert. Absichtlich! Stimmt’s, du kleines Biest?«
    »Ich will verdammt noch mal endlich weiter auf dem verdammten Bürgersteig fahren«, beschwerte sich Henriette.
    »Du sollst nicht so fluchen«, rügte Toni und sah mich entschuldigend an. »Ich weiß auch nicht, was ich dagegen machen soll. Vom Kindergarten bringt sie jeden Tag neue Kraftausdrücke mit nach Hause. Aaaaargh! Verdammte Scheiße, jetzt hab ich doch reingefaßt.«
    »Soll ja Glück bringen«, sagte ich, was eine unkluge Bemerkung war, weil Henriette nun unbedingt auch am großen Familienglück teilhaben wollte und mit beiden Händen in das griff, was vom Hundehaufen auf dem Bürgersteig noch übrig war. Ich benötigte die restliche Packung Feuchttücher für Reinigungsarbeiten an Kindern und Mutter.
    »Das muss ein riesiger Hund gewesen sein«, meinte Toni den Tränen nahe.
    »Ein verdammt riesiger Hund«, stimmte Henriette zu. »Der wird verdammt viel Glück
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