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Lucy kriegt's gebacken

Lucy kriegt's gebacken

Titel: Lucy kriegt's gebacken
Autoren: K Higgins
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die Wange. „Deine Schwester - sie ist unglaublich.“ Die frischgebackenen Eltern blicken sich mit gegenseitiger Bewunderung an, und ich spüre den vertrauten Kloß im Hals.
    Jimmy und ich hätten einander vielleicht auch so angesehen.
    „Hallo! Ich bin Tania, Ihre Stillberaterin!“ Die dröhnende Stimme lässt uns alle zusammenfahren. „Na was für ein hübsches Baby! Wollen Sie es vor Publikum ausprobieren?“
    „Corinne, wir gehen.“ Mir ist vollkommen klar, dass meine Mutter und meine Tanten lieber bleiben würden, um entsprechende Kommentare abzugeben. „Wir kommen später wieder. Ich bin so stolz auf dich.“ Ich küsse meine Schwester, berühre noch einmal die Wange des Babys und versuche zu ignorieren, dass Corinne ihrem Kind danach das Gesicht abwischt. „Bye, Emma“, flüstere ich, und wieder habe ich Tränen in den Augen. „Ich hab dich lieb, Kleines.“ Meine Nichte. Ich habe eine Nichte! Bilder von Teepartys und Gummihüpfen füllen meinen Kopf.
    Meine Schwester lächelt mir zu. „Bis später, Lucy. Ich hab dich lieb.“ Sie tätschelt meinen Arm mit ihrer freien Hand, schon ganz versiert im Umgang mit ihrem Baby.
    „Dann schauen wir uns mal Ihre Brustwarzen an“, bellt Tania, die Stillberaterin. „Ehemann, nehmen Sie das Baby, bitte. Ich muss mir die Brüste Ihrer Frau ansehen.“
    Wie ein gut abgerichteter Border Collie scheuche ich meine Mutter, Rose und Iris aus dem Zimmer. Im Flur fällt mir etwas auf. Meine Mutter und meine Tanten sind heute alle in Schwarz gekleidet. Ich bleibe stehen. Meine Mutter trägt einen schicken schwarzen Wickelpullover, der auch Audrey Hepburn gut gestanden hätte, Iris einen formlosen schwarzen Rollkragenpulli und Rose eine schwarze Strickweste über einer weißen Bluse. Mein T-Shirt ist zufällig auch schwarz - ich stehe morgens um vier Uhr auf und verbringe nicht viel Zeit mit der Wahl meiner Garderobe; dieses T-Shirt lag nur zufällig ganz oben auf dem Stapel.
    Durch eine ironische und unglückliche Laune des Schicksals lautet der Mädchenname von meiner Mutter, Iris und Rose Black. Den ursprünglichen Namen Fekete hat mein Großvater, als er aus Ungarn immigrierte, der Einfachheit halber ins Englische übersetzt. Durch eine sogar noch ironischere und unglücklichere Laune des Schicksals waren alle drei noch vor ihrem fünfzigsten Geburtstag verwitwet, deswegen ist es nicht überraschend, dass man sie die schwarzen Witwen nennt. An diesem glücklichsten aller Tage tragen wir also alle aus irgendeinem Grund Schwarz. Und plötzlich geht mir Verschiedenes auf: dass ich - die ich ebenfalls jung meinen Mann verloren habe - heute selbst an eine schwarze Witwe erinnere. Dass ich gerade mein erstes Barthaar entdeckt habe und Ratschläge über Gesichtshaarentfernung über mich ergehen lassen musste.
    Und dass ich weit davon entfernt bin, ein eigenes Kind zu haben - ein Gedanke, der mir in letzter Zeit immer öfter kommt. Seit Jimmys Tod sind immerhin schon fünf Jahre vergangen. Fünfeinhalb. Fünf Jahre, vier Monate, zwei Wochen und drei Tage, um genau zu sein.
    Diese Gedanken überlagern das Geplapper meiner Tanten und Mutter, als wir über die kurze Brücke nach Mackerly fahren, zurück in die Bäckerei, in der wir vier arbeiten.
    „Wir gehen auf den Friedhof“, verkündet Mom, als sie hintereinander aus dem Auto hüpfen, erst Iris, dann Rose, dann meine Mutter. „Ich muss deinem Vater von dem Baby erzählen.“
    „Okay.“ Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Dann bis später.“
    „Willst du nicht mitkommen?“, fragt Rose. Alle drei drehen den Kopf in meine Richtung.
    „Ach, ich glaube eher nicht.“
    „Du weißt doch, dass sie damit ein Problem hat“, sagt Mom geduldig. „Lasst uns gehen. Bis später, Schatz.“
    „Klar. Viel Spaß.“ Den werden sie haben, das weiß ich. Ich sehe ihnen nach, wie sie die Straße Richtung Friedhof hinuntergehen, wo ihre Ehemänner - und meiner - begraben liegen.
    Die Sonne scheint, die Vögel singen, meine Nichte ist gesund. Das ist ein sehr, sehr glücklicher Tag, Barthaar hin oder her. Verwitwet oder nicht. „Ein glücklicher Tag“, sage ich laut vor mich hin und betrete die Bäckerei.
    Der warme, zeitlose Duft der Bunny‘s Hungarian Bakery umfängt mich wie eine weiche Decke. Zucker und Hefe und Dampf, ich inhaliere tief. Jorge putzt gerade die Backstube. Er sieht auf, als ich hereinkomme. „Sie ist umwerfend“, verkünde ich. Er nickt, lächelt, dann fährt er fort, Teig von den Tischen zu
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