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Lucas

Lucas

Titel: Lucas
Autoren: Kevin Brooks
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»Willst du was essen?«
    »Jetzt noch nicht, hm? Lass ihn ein paar Stunden schlafen,dann essen wir alle zusammen.« Er beugte sich herab und zupfte an meinen Haaren. »Puschel, sagst du?«
    »Puschel«, bestätigte ich.
    Dann rückte er ein Haargummi zurecht, trat zurück und sah mich an. »Steht dir gut, ehrlich.«
    »Danke«, sagte ich grinsend. »Du siehst auch nicht so schlecht aus. Hast du gemerkt, wie Rita dich angeschaut hat?« »Die schaut doch jeden so an. Sie ist noch schlimmer als ihre Tochter.«
    »Rita fragt sogar jedes Mal extra nach dir, weißt du das?«
    »Lass das, Cait   –«
    »Ich mach doch nur Spaß, Dad«, sagte ich. »Jetzt schau nicht so besorgt.«
    »Wer ist hier besorgt?«
    »Du. Du machst dir ständig Sorgen um alles.«
    Wir plauderten noch ein paar Minuten weiter, aber ich wusste, er wollte zurück an seine Arbeit. Immer wieder schaute er auf die Uhr.
    »Ich werd erst mal Bill anrufen«, sagte ich ihm. »Und dann geh ich ein bisschen mit Deefer raus. Wenn ich zurückkomme, mach ich was zu essen.«
    »Okay«, sagte er. »Ich glaube, ich arbeite noch ein paar Stunden weiter, solange es geht.«
    »Wie kommst du denn mit dem neuen Buch voran?«
    »Ach, weißt du, immer die alte Geschichte . . .« Einen Moment stand er einfach nur da, schaute zu Boden, rieb sich den Bart und ich dachte, er würde mir etwas erzählen, ein paar von seinen Problemen mit mir teilen. Aber nach einer Weile seufzte er bloß wieder und sagte: »Also, dann mach ich jetztmal besser weiter – sieh zu, dass du wieder zurück bist, bevor es dunkel ist. Ich seh dich später, Kleines.« Und damit verschwand er gebeugt in sein Arbeitszimmer und schloss die Tür.
     
    Dad schreibt Bücher für Jugendliche oder
junge Erwachsene
, wie die Buchhändler gern sagen. Wahrscheinlich hast du schon mal von ihm gehört. Vielleicht hast du ja sogar eines seiner Bücher gelesen:
So eine Art Gott; Nichts wird jemals sterben; Neue Welt
. . . Nein? Na ja, selbst wenn du die Bücher nicht gelesen hast,
über sie
hast du bestimmt schon gelesen. Es sind solche, die für Preise nominiert werden, sie aber nie gewinnen, solche, die von den Zeitungen verrissen werden, weil sie angeblich unmoralisch sind, ein schlechtes Beispiel geben und die Unschuld unserer Jugend zerstören. In jedem Fall sind es Bücher, mit denen man nicht besonders viel Geld verdient.
     
    Bill aß gerade, als sie den Hörer abnahm. »Mm-ja?«
    »Bill? Ich bin’s, Cait.«
    »Einen Mm – warte mal eben . . .« Ich hörte den Fernseher im Hintergrund plärren, während Bill kaute, schluckte und rülpste . . . »So«, sagte sie. »
Örrps
– ’tschuldigung.«
    »Deine Mum hat gesagt, ich soll dich anrufen. Ich hab sie auf dem Weg getroffen.«
    »Ja, ich dachte schon, die kommt gar nicht mehr in die Puschen – warte mal eben . . .«
    »Bill?«
    »So ist es besser, ich muss dringend eine rauchen. Wie geht’s dir?«
    »Gut.«
    »Ich hab gesehen, wie du im Auto nach Hause gekommen bist. Wo warst du?«
    »Dom abholen.«
    »Hey, erzähl mal.«
    »Ach, komm, Bill . . .«
    »Was ist?«
    »Das weißt du
genau
. Mensch, er ist neunzehn.«
    »Na und?«
    »Du bist fünfzehn . . .«
    »Mädchen sind eben früher reif als Jungen, Cait. Das ist allgemein bekannt.«
    »So? Na,
du
ganz bestimmt.«
    Sie lachte. »Kann ich was dazu, dass meine Hormone so viel Hunger haben?«
    »Vielleicht solltest du auf Diät gehen.«
    »Pah!«
    »Egal, Dom hat eine Freundin.«
    »Wen?«
    »Weiß ich nicht, jemanden an der Uni, nehme ich an.« Blitzschnell entwarf ich ein Bild in meinem Kopf. »Eine große Blonde mit langen Beinen und tonnenweise Geld.«
    »Das sagst du doch bloß.«
    »Nein, echt nicht. Sie heißt Helen, wohnt irgendwo in Norfolk   –«
    »Da hast du’s.«
    »Was?«
    »Sie wohnt in Norfolk – ich zwei Minuten von euch. Das sagt doch alles.«
    Sie lachte wieder, dann legte sie die Hand auf die Muschel und sprach mit jemandem im Hintergrund.
    Ich spielte mit der Telefonschnur zwischen meinen Fingern und wischte ein Spinnennetz von der Wand. Dann schlenkerte ich mit dem Fuß. Ich sagte mir: Ignorier es, vergiss es, lass es nicht an dich ran . . . aber ich schaffte es nicht. Die Sache mit Bill und Dominic fing an mir aus den Händen zu gleiten. Am Anfang war es lustig gewesen:
Lieber Dr.   Sommer, meine beste Freundin ist verliebt in meinen großen Bruder, was soll ich tun?
Ja, es
war
lustig gewesen, als Bill zehn und Dominic vierzehn war. Aber jetzt war es überhaupt nicht mehr lustig,
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