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Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Titel: Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)
Autoren: Sandra Roth
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Wettrennen einen goldenen Pokal erkämpft, den ich nun unter dem gewölbten Mantel vor mir herschiebe. Ich esse kein Sushi, keinen Rohmilchkäse, ich trinke keinen Alkohol und nur koffeinfreien Kaffee. Ich mache alles richtig.

    Auf der anderen Seite sehe ich Melanie kommen. »Treffen der Bäuche!«, sagt sie zur Begrüßung und schiebt ihren Babybauch an meinen. Ihre dunklen Locken hat sie hochgesteckt. »Hübsch!«, sage ich.
    Wir kennen uns aus dem Geburtsvorbereitungskurs, wir beide waren die Einzigen weit unter 40. Mein Ben und ihr Luca waren später gemeinsam beim Babymassagekurs, beim Eltern-Kind-Turnen und beim Musik-Kurs.
    Die Musiklehrerin hat Melanie jedes Mal gelobt. »Man merkt, dass Luca regelmäßig übt.« Lucas Vater Steffen spricht nur französisch mit ihm. »Ça va, Luca?« Luca sagt manchmal »oui« und manchmal »ja«. Steffen hat ein Semester lang in Montpellier studiert. Beim Grillen im Sommer haben er und Melanie von »Zeitfenstern« erzählt, die sich schließen, wenn sie nicht genutzt werden. »Nie wieder lernen Kinder so schnell.« Harry hat mir zugegrinst und später doch die Stirn gerunzelt, als Luca sein Grillwürstchen schon mit Messer und Gabel aß, während Ben sich mit beiden Händen die Wurst griff. Ich habe mir notiert, welches Buch Melanie zum Thema Frühförderung empfiehlt, und den Zettel später verloren. Ich habe das Buch nie gekauft und ein bisschen schäme ich mich dafür. Luca krabbelte vor Ben, lief vor Ben, sprach vor Ben. Müsste ich mehr tun, um Bens Potenzial auszuschöpfen?
    »Hast du schon angerufen?«, fragt Melanie.
    Ich schüttele den Kopf.
    »Bald ist kein Platz mehr frei. Noah ist schon eingetragen.«
    Sie meint ihren ungeborenen Sohn.
    Will ich ein zweites Mal jeden Mittwoch in einem stickig heißen Raum sitzen, zwischen schwitzenden Müttern und pinkelnden Babys ohne Windeln? Als Ben klein war, war dies der Höhepunkt der Woche. Alle anderen Termine waren mit seiner Geburt weggefallen. Keine Interviews, keine Abgabetermine, kein Kino. »Ben Babymassagekurs« habe ich in jede Woche einzeln eingetragen und umkringelt. Im Grunde war es also sein Termin, nicht meiner. Für mich war der Babymassagekurs das, was mit 14 Jahren der Tanztee und mit 24 die Videokunstausstellung war: eine gesellschaftliche Verpflichtung. Wer mitreden wollte, der ging hin. Vielleicht lasse ich es auch, denke ich. Vielleicht sage ich einfach, der Kurs war voll.
    Neben Melanie kippelt Luca auf einem Laufrad. Er trägt eine kleine knallrote Daunenjacke, hinten auf dem Rücken derselbe Markenschriftzug aufgestickt wie auf Melanies Wintermantel. Sie legt ihre Hand auf seinen winzigen silbernen Skaterhelm. Über der Stirn prangt ein Herz wie das Tattoo eines Rockstars. »I love Daddy« steht da.
    »Fährt Ben auch schon?«
    »Er schiebt«, sage ich und komme mir illoyal vor. Ich schiebe nach: »Ich bin schon gespannt, ob ein Mädchen wohl anders wird.«
    »Hauptsache, gesund.«
    »Klar!«, antworte ich und denke: Das sagst du nur, weil du wieder einen Jungen kriegst und lieber ein Mädchen wolltest. Eine kleine Gehässigkeit, ich gönne sie mir. Nächste Runde: Noah. Lotta, du zeigst es ihm, denke ich und gebe dem Bauch einen Klaps. Sind Mädchen nicht immer schneller als Jungs?
    »Und wird sie ein Traum in Rosa?«, fragt Melanie.
    Ich schüttele den Kopf.
    »Na, dann.«
    »Na, dann.«
    Küsschen rechts, Küsschen links. Zwei Bäuche schieben sich aneinander vorbei.
    Lillifee werde ich verbieten, solange es geht. Bens kleine Freundinnen sind der rosa Prinzessin verfallen, von den Lillifee-Socken bis zu den Lillifee-Haarspangen. Ich werde Lotta mehr ablegen als Ben, nicht auf dem Arm in den Schlaf schaukeln, vielleicht kein Schnuller? Ben ist bei drei pro Abend, einen im Mund, einen in der rechten, einen in der linken Hand. Hoffentlich wird sie kein Spucker, denke ich. An dem Fleck von Bens Müsli hat Harry heute Morgen zehn Minuten lang gerieben. Geöltes Parkett in der Küche. Einer der wenigen Streitpunkte während unserer Sanierung. Er hat uns zwei Abende hintereinander verdorben. Dann habe ich den Parkettleger angerufen und den Auftrag erteilt. »Mist!«, hat Harry heute Morgen geflucht.
    »Siehst du«, habe ich gesagt und schnell die Küche verlassen.

    Ich biege ab in meine Lieblingsstraße, efeuumrankte Häuser, blutrot gefärbt, ein kleiner Brunnen, der schon für den Winter stillgelegt ist, darauf ein Gott Pan aus Stein, dargestellt als kleiner, dicker Junge, der auf seiner Flöte
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