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London

London

Titel: London
Autoren: Edward Rutherfurd
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Kategorien schwerer Brände. Wenn es einen ganzen Block betraf, sprach man von einem Großbrand, anderenfalls von einem ernsten Brand. Aber auch bei einem ernsten Brand wurden mehr als dreißig Pumpen gebraucht, was hieß, daß die AFS-Taxis mit ihren Anhängern aus ganz London zusammenströmten, um die wenigen regulären Löschfahrzeuge zu unterstützen.
    Charlies Mannschaft überquerte den Fluß über die Vauxhall Bridge, fuhr an den Houses of Parliament vorbei, Whitehall hinauf in die Strand. Dann reihte sie sich in eine Schlange ähnlicher Fahrzeuge ein, die sich langsam an den Häusern der Zeitungsverlage in der Fleet Street entlang Richtung St. Bride's bewegte. Es war ein gewaltiger Anblick. Eine einzelne Sprengbombe mußte getroffen und zwei Häuser ausgebrannt haben. Aber auch Magnesiumbrandbomben waren abgeworfen worden, und diese richteten den eigentlichen Schaden an; sie sprühten wie große Leuchtkugelfeuerwerke. Man konnte sie eigentlich mit dem Stiefel fortstoßen oder austreten, aber oft fielen sie so, daß man nicht herankam, so daß sich das Feuer festfressen konnte. Diesmal stand bereits ein halbes Dutzend Häuser in hellen Flammen. Das letzte Haus in der Reihe war noch nicht erfaßt, aber auf dem Dach war ein Brandkörper.
    Sie waren nahe genug am Fluß, um das Wasser direkt von dort herauszupumpen. Ein Dutzend Schläuche waren bereits im Einsatz.
    Während die anderen die Leiter ausfuhren, rannten Charlie und der Mannschaftsleiter das enge Treppenhaus hinauf. Auf dem Dach entdeckten sie den Brandkörper sofort neben dem Kamin. Charlie kletterte hinauf. Auf ein Zeichen seines Kameraden hin, daß niemand unten stand, visierte er die Bombe an, holte mit dem Stiefel aus und stieß sie vom Dach hinunter auf die Straße.
    Sie waren schon fast wieder unten, als sie den Geruch bemerkten. Sie liefen weiter hinunter bis zum Keller, der wie viele in diesem Teil Londons unter mehreren Häusern entlangführte. Das Erdgeschoß des Nachbarhauses brannte. Herunterfallende Glutasche würde im Keller jeden Augenblick einen Großbrand verursachen. Der zu Kopf steigende Geruch war überwältigend. »Alkohol«, sagte Charlie. Im Erdgeschoß des Hauses nebenan war ein Spirituosengeschäft; der Dunst kam aus den zerbrochenen Flaschen. Man hörte, wie sie oben explodierten, und im Keller, wo sie in Kisten gelagert wurden, würde bald dasselbe passieren. »Das können wir nie alles retten«, flüsterte sein Kamerad. »Nein«, stimmte Charlie zu, »aber sieh dir das an.« Auf dem Boden stand eine offene Kiste voller Miniaturfläschchen. Die Stiefel der Feuerwehrmänner waren hoch und oben weit. Es war erstaunlich, wie viele Fläschchen hineinpaßten. »Charlie«, flüsterte der andere. »Du hast dauernd so ein Glück!«
    Helen und ihre Begleiterin fuhren durch Moorgate. Auch wenn in der einen Straße das Inferno herrschte, konnte die nächste stockfinster sein. Zweimal mußten sie anhalten und vorsichtig um einen Bombenkrater herumfahren. Beim zweiten Mal hatten sie ihn gerade noch rechtzeitig gesehen. Sie waren nur zu zweit in der Ambulanz – ein stabiler alter Laster mit einer Bahre und einer kompletten Ausstattung mit Erste-HilfeMaterial. Es war eine große Verbesserung im Vergleich zu der Situation vor ein paar Monaten, als sie mit ihrem eigenen kleinen Morris fahren und sich selbst Scheren und Verbände besorgen mußten.
    Ein paar Suchscheinwerfer strichen über den Himmel, das Dröhnen der Bomber war verebbt. Aber die Stille würde sicher nicht andauern. Auch wenn die englischen Spitfires im Einsatz waren, kehrten die meisten Nazi-Bomber zu ihrer Basis zurück und flogen mit neuer Munition einen zweiten Angriff. Das Mietshaus kam in Sicht. Ein einziges Löschgerät spritzte das Eck ab, wo eine Bombe einen Teil der Mauer abgerissen hatte, so daß das Innere wie bei einem Puppenhaus offenlag. Die Feuerwehrleute hatten eine alte Dame herausgetragen und auf eine Decke gelegt, bis die Ambulanz kam. Helen brauchte nur einen Augenblick, um festzustellen, daß ein Bein der Frau gebrochen war. Helen schiente das Bein und wollte sie gerade auf die Bahre legen, als sie sah, wie einer der Feuerwehrmänner nach oben blickte; das Heranbrummen der nächsten Bomberwelle war zu hören. »Sie sollten sich beeilen, Miss«, riet er.
    Sie bückte sich, um das eine Ende der Bahre aufzuheben, bemerkte aber, daß die alte Frau dringend versuchte, etwas zu sagen. »Bitte, meine Liebe, wenn ich ins Krankenhaus muß«, bat sie, »könnten Sie
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