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London Road - Geheime Leidenschaft

London Road - Geheime Leidenschaft

Titel: London Road - Geheime Leidenschaft
Autoren: Samantha Young
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sich um ihre Kinder Sorgen zu machen, und ich nahm nun mal die Mutterrolle für ihn ein, zum anderen wegen der Frau, die im Zimmer gegenüber schlief.
    Als Nächstes schlüpfte ich in Mums Zimmer. Sie lag ausgestreckt quer über dem Bett. Die Laken hatten sich um ihre Beine gewickelt, und ihr Nachthemd war hochgerutscht, so dass ich die rosa Baumwolle darunter sehen konnte. Ich konnte froh sein, dass sie überhaupt Unterwäsche trug. Da ich es trotz allem nicht übers Herz brachte, sie frieren zu lassen, breitete ich hastig die Bettdecke über sie. Dann sah ich die leere Flasche neben ihrem Bett. Ich nahm sie und ging damit in unsere kleine Küche, wo ich sie zu den anderen stellte. Es wurde bald Zeit, den Karton mit dem Altglas zum Container zu bringen.
    Ich starrte die leeren Flaschen einen Moment lang an. Ein Gefühl der Erschöpfung überkam mich, und diese Erschöpfung verwandelte sich in Wut – Wut auf die Flaschen und all den Kummer, den wir ihretwegen schon gehabt hatten.
    Sobald sich herausgestellt hatte, dass Mum sich für nichts mehr interessierte, nicht einmal für die Zustände in ihrer eigenen Wohnung, hatte ich ihre Rolle übernommen. Inzwischen konnte ich jeden Monat pünktlich die Miete für unsere Vierzimmerwohnung zahlen. Ich hatte einiges gespart, ich arbeitete viel, und – das Beste von allem – meine Mutter kam nicht an mein Geld heran. Das war nicht immer so gewesen. Es hatte eine Phase drückender Geldsorgen gegeben, während der ich oft nicht gewusst hatte, wie ich Lebensmittel und Kleidung für Cole bezahlen sollte. Ich hatte mir geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Obwohl ich Geld auf der Bank hatte, wusste ich, dass es nicht ewig reichen würde.
    Ich gab mir alle Mühe, den Großteil unseres früheren Lebens auszublenden. Als ich noch ein Kind gewesen war, hatte mein Onkel Mick – ein Anstreicher und Dekorateur – mich oft mitgenommen, wenn er für Freunde oder Verwandte arbeitete. Ich half ihm, bis er nach Amerika auswanderte. Onkel Mick brachte mir alles bei, was er wusste, und ich liebte die Arbeit mit ihm. Einen Raum optisch zu verändern hatte etwas Beruhigendes, etwas Therapeutisches. Also ging ich hin und wieder auf Schnäppchenjagd und gestaltete unsere Wohnung um – so wie ich es bereits nach unserem Umzug gemacht hatte. Erst wenige Monate zuvor hatte ich die große Wand im Wohnzimmer in kräftigem Schokobraun mit einem Muster aus großen petrolfarbenen Blüten frisch tapeziert. Die übrigen drei Wände hatte ich in einem Cremeton gestrichen und für unser altes cremefarbenes Ledersofa passende Kissen in Braun und Türkis besorgt. Obwohl wir auf lange Sicht nicht von den Verschönerungsmaßnahmen profitieren würden, hatte ich vor unserem Einzug als Erstes die Dielenböden abgeschliffen, damit sie wieder in ihrem alten Glanz erstrahlten. Das war das Teuerste an der ganzen Renovierung gewesen, aber es war mir wichtig, stolz auf unser Zuhause sein zu können, selbst wenn ich nicht wusste, wie lange es unser Zuhause bleiben würde. Obwohl ich darüber hinaus für Dekoration so gut wie nichts ausgegeben hatte, sah unsere Wohnung modern, sauber und gepflegt aus. Cole hätte sich nicht schämen müssen, seine Freunde mitzubringen … wenn unsere Mutter nicht gewesen wäre.
    An den meisten Tagen fand ich mich mit unserem Schicksal ab, aber heute war mein Inneres in Aufruhr. Ich hatte das Gefühl, als wären der Frieden und die finanzielle Sicherheit, nach denen ich strebte, weiter entfernt als je zuvor. Vielleicht war ich auch einfach nur müde, und deswegen kamen auf einmal alle möglichen Emotionen in mir hoch.
    Es war höchste Zeit für eine Mütze Schlaf. Ich versuchte, mich nicht von dem betrunkenen Schnarchen meiner Mutter stören zu lassen, als ich in mein Zimmer schlüpfte und die Tür hinter mir schloss. Mein Zimmer war das kleinste in der Wohnung. Es gab darin nur Platz für ein schmales Bett, einen Kleiderschrank sowie zwei aus allen Nähten platzende Bücherregale. Die Palette reichte von Vampir-Liebesromanen bis hin zu Geschichtsbüchern. Ich verschlang alles, absolut alles. Ich liebte es, mich in fremde Welten und vergangene Zeiten entführen zu lassen. Der Großteil meiner Klamotten, einschließlich der Sachen, die ich bei eBay verkaufen wollte, lagerte in den Schränken in Coles Zimmer.
    Ich zog das Dolce & Gabbana-Kleid aus und steckte es in den Beutel für die Reinigung. Die Zeit würde zeigen, ob ich es behalten konnte oder nicht. Es war eiskalt in
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