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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst
Autoren: Georges Arnaud
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haben schwere Verbrennungen und scheinen es nicht zu merken. Ihre Augenbrauen, ihre Haare sind völlig versengt. Sie schreien nicht, wahrscheinlich, weil sie nicht mehr schreien können. Rynner versucht mit ihnen zu sprechen.
    »Que fué? Wie ist das passiert?«
    Ihr Schweigen zeigt ihm, daß sie ihn nicht hören. Sie denken auch nicht mehr. Dort ihre toten Kameraden, und hier sie selbst und am Leben.
    Sechs Stunden später heulte links am Horizont eine eilige, hartnäckige Sirene auf. Der Ingenieur vom Turm 19 hatte die Explosion gehört, das Feuer gesehen und an das Lager nach Las Piedras telefoniert. Die Krankenwagen der Crude and Oil waren da. Die Krankenträger stiegen aus, begleitet von einem Rettungstrupp, sieben behelmten Männern in Asbestanzügen. Sie fanden den Ingenieur Rynner von der Crude and Oil, den Chef des Derrick 16, im Sande hocken, zwischen einem toten und einem sterbenden Indio. »My goodness, my goodness«, murmelte der Amerikaner mechanisch vor sich hin.
     
     
    Natürlich hatte O’Briens Sekretär der alten Mrs. Rynner nur sehr unvollständig schildern können, was geschehen war. Dazu hatte er immerhin fast zehn Minuten gebraucht. Zu wieviel Dollar die Minute? Schließlich blieb noch zu sagen, was er über Rynners Zustand wußte. Das Heikelste, ohne Zweifel.
    »He! Mrs. Rynner? Wie? Was? Ja. Jetzt den Bericht des Hospitals... Eine Sekunde bitte.«
    Er legte den Hörer auf den Schreibtisch und blätterte in einem Haufen von rosa Formularen, dabei las er halblaut:
    »Vermißt, vermißt, vermißt... das sind die Guatemalteken... Verbrennungen dritten Grades, doppelter Schädelbruch... nein, das ist der eine Indio...«
    Von der Schreibtischplatte war die Stimme der alten Dame aus Toronto zu vernehmen. Aber was sie sagte, blieb völlig unverständlich. Er kümmerte sich nicht darum, er suchte weiter.
    »He! Mrs. Rynner? Ich habe den Bericht. Mr. Rynner: Embolie im Gehirn als Folge einer Verletzung in der Herzgegend. Nervenschock. Zustand ernst. Prognose unter Vorbehalt. Ich wiederhole: Zustand ernst. Prognose unter Vorbehalt. Hallo, hören Sie? Mrs. Rynner, wollen Sie mir Ihre Telefonnummer geben? Für den Fall, daß er stirbt, natürlich ... Wie? Wie? Mrs. Rynner, hören Sie? He! Mrs. Rynner?«
    Er legte den Hörer auf. Er schien ärgerlich.
    »Wahrscheinlich hat sie aufgelegt«, sagte er zu der Stenotypistin, die ihm gegenübersaß. »Das hat man nun davon...«
     
     
    Im Jeep oder in der Command-Car brauchte man gute zehn Stunden bis zu dem Taladro, wo am Vorabend das Unglück passiert war. Der Boß und sein »Gehirntrust« waren von dem Stoßen der Wagen so mitgenommen, daß ihre Gedanken sich nicht ganz auf der Höhe des Ereignisses hielten. Einige zehn Kilometer weiter war die Feuersbrunst damit beschäftigt, die Reste des Stahlgerüstes zu verzehren.
    Das Schauspiel nahm ihnen den Atem, als die beiden Wagen die Unfallstelle erreichten. Bereits eine Stunde nach der Abfahrt hatten ihnen schwere Rauchwolken, die einen ganzen Sektor des Horizontes verhüllten, den Weg gewiesen. »Kein Rauch ohne Feuer«, murmelte O’B –O’Brien, der Boß –, als er mit jugendlichem Schwung aus der Command-Car sprang. Diesen Sprung bereute er sofort: er war völlig lendenlahm, und sein rechtes Bein, das eingeschlafen war, knickte weg, so daß er beinahe gefallen wäre.
    Das Feuer ist zornig, hatten die Indios gesagt. Es hatte alles niedergemacht. Von dem Gerippe des Bohrturmes war kaum noch etwas zu sehen. Die sieben Männer starrten aus hundert Meter Entfernung in die Flammen. Einige hielten sich die Hände schützend vors Gesicht. Der Chef der Rechtsabteilung, ein dicker Kerl von fünfunddreißig bis vierzig Jahren, mit gerötetem Gesicht, hatte ein Heft aus der Tasche gezogen und machte sich Notizen. O’Brien, männlicher als die anderen, von Natur aus begabter, einer solchen Maßlosigkeit der Elemente gegenüberzutreten, fand diese Geste höchst komisch. Er genierte sich nicht, das zu sagen:
    »Scheiß...lich! Wegen der Fingerabdrücke werden Sie näher herangehen müssen. Ich, ich hab genug gesehen. Das macht mich ganz schwindlig.«
    Der irische Akzent, den er nie ganz hatte ablegen wollen, war gerade an diesem Tage stärker als gewöhnlich bemerkbar und tönte wie eine zusätzliche Beleidigung in den Ohren seiner Mitarbeiter.
    Der Chef der Rechtsabteilung verfärbte sich dunkelrot, aber er antwortete nicht; und während der Boß zurückging, sich auf den Vordersitz seiner Command-Car fallen ließ
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